Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Card.
    Freeland nickte. »Sanders ist tot«, murmelte er. »Er hat ihn umgebracht. Er ist tot. Er ...« Freeland brach ab, schluckte mühsam und lehnte sich gegen den Wagen. Seine Knie zitterten plötzlich. »Er hat ihn umgebracht«, wiederholte er immer und immer wieder. Er schloss die Augen, aber es gelang ihm nicht, das furchtbare Bild abzuschütteln. Immer wieder sah er, wie sich Sanders' Gesicht binnen Sekunden verwandelte, wie seine Haut austrocknete und platzte, sein Körper zur Mumie zerfiel ...
    Erst als Card ihn grob an der Schulter packte und schüttelte, erwachte er aus seiner Erstarrung.
    »Freeland!«, sagte der Inspektor streng. »Reißen Sie sich zusammen! Was ist passiert?«
    »Sanders«, sagte Freeland mühsam. »Wilburn hat ihn getötet. Er - er liegt dort drüben.« Er drehte sich um und deutete mit einer steifen, gezwungenen Geste über die Straße.
    Card folgte seiner Bewegung mit Blicken, schlug ihm tröstend auf die Schulter und ging dann vorsichtig auf den Leichnam des jungen Polizeibeamten zu. Auch in den anderen Streifenwagen begann sich allmählich wieder Leben zu regen. Keiner der Wagen war noch fahrtüchtig, aber die Polizisten schienen bis auf harmlose Kratzer und Schnittwunden mit dem Schrecken davongekommen zu sein.
    Bis auf Sanders, dachte Freeland. Er atmete mühsam ein und drehte sich um. Die Straße sah aus wie nach einem Bombenangriff. Nicht nur die Schaufensterscheiben, auch die Fenster der darüberliegenden Wohnungen waren ausnahmslos zerborsten, und in den leeren Fensterhöhlen tauchten die ersten blassen Gesichter auf.
    Freeland ließ sich mit einem schmerzvollen Seufzer auf die Rückbank des Polizeiwagens sinken und schloss die Augen.
    Aber es nutzte nichts. Das Bild von Sanders' Gesicht ließ sich nicht vertreiben, und plötzlich hatte er das sichere Gefühl, dass ihn das, was er heute Abend erlebt hatte, noch lange verfolgen würde. Vielleicht bis an sein Lebensende.
    Raven lenkte den Wagen an den Straßenrand, warf Wilburn einen nachdenklichen Blick zu und zog vorsichtshalber den Zündschlüssel ab, ehe er ausstieg.
    »Warten Sie hier«, sagte er. »Ich bin sofort wieder zurück. Ich hinterlasse nur eine Nachricht für Card, falls er nicht da sein sollte.«
    Er wandte sich um, starrte den schimmernden Glas- und Betonriesen von New Scotland Yard einen Moment lang nachdenklich an und lief dann mit raschen Schritten die breiten Kunststeintreppen zum Eingang hinauf.
    Wilburn blickte ihm ungeduldig nach. Alles in ihm brannte darauf, so rasch wie möglich weiterzufahren, um in den Besitz des Buches zu gelangen. Er hatte selbst keine befriedigende Erklärung für die plötzliche Rastlosigkeit, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Er spürte einfach, dass die Zeit gegen sie arbeitete. Seit er in jener verlassenen Halle am alten Rangierbahnhof aufgewacht war, war irgendeine Veränderung mit ihm vorgegangen. Es war, als könne er seine Stimme zum ersten Mal im Leben voll benutzen. Wilburn kam sich vor wie ein Taubblinder, dem plötzlich Gehör und Augenlicht gegeben worden waren.
    Er hatte vorhin nicht die Wahrheit gesagt, als er Raven gegenüber behauptet hatte, nicht zu wissen, wie er die beiden Gangster überwältigt hatte. Er wusste es. Seine Körperkräfte und Reaktionen hatten sich nicht auf geheimnisvolle Art verstärkt - er wusste plötzlich nur, wie er sie optimal einsetzen musste. Er war kein Übermensch, bei Weitem nicht. Aber er kam sich vor wie der einzig Sehende in einer Welt voller Blinder.
    Und ebenso, wie er die Gefahr gespürt hatte, die hinter der geschlossenen Tür im Treppenhaus auf ihn gelauert hatte, so spürte er auch die andere Gefahr, das Böse, das sich über der Stadt und ihren Menschen zusammenballte.
    Ein Wagen fuhr über die menschenleere Straße heran, verminderte seine Geschwindigkeit und beschleunigte wieder, als er vorbei war. Wilburn starrte ihm misstrauisch nach. Der Wagen beschleunigte weiter, bog um die nächste Ecke und war seinen Blicken entschwunden.
    Wilburn wartete ungeduldig, dass Raven zurückkehrte. Der junge Detektiv war nun schon länger als fünf Minuten fort; keine lange Zeit, wenn man etwas erledigen wollte, aber sehr viel, wenn man darauf wartete, dass sie verging. Wilburn rutschte ungeduldig auf dem Beifahrersitz des Maserati hin und her. Raven hatte gut daran getan, den Schlüssel mitzunehmen.
    Im Rückspiegel tauchten zwei kleine weiße Lichtkreise auf. Wilburn stutzte, drehte sich ächzend herum und blinzelte dem näher

Weitere Kostenlose Bücher