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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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rechts
ab. Er nimmt den offiziellen Weg durch die Oberstadt, der den Bediensteten in öffentlichen
Ämtern und deren Familien vorbehalten ist. Dieser Weg ist gepflastert, frei von
Müll und vor allem von der Gill-Garde bewacht. Mit Angriffen aus dem Luftraum
ist daher nicht zu rechnen.
    An jeder Kreuzung stoßen wir auf zwei Wachtposten
mit geschulterten Gewehren. Wer nicht zu den Privilegierten gehört und keine
Passierkarte für diese Wege besitzt, darf sie nur von einer Kellerstraße bis zur
nächsten benutzen. Dann muss er über den nächstgelegenen Schacht bis zum Ende
der Untergrundstraße gehen. Auf der anderen Seite darf er den öffentlichen Weg
ebenfalls nur so lange benutzen, bis wieder ein Kellerabgang kommt. Deshalb ist
es für Nichtprivilegierte ein mühsamer Weg, um von einem Stadtteil in den anderen
zu gelangen.
    Da mein Vater Bibliothekar ist, besitzen wir einen
Passierausweis, den ich allerdings in Begleitung der Gills nicht vorzeigen muss.
    Wir überqueren die Via Appia-Maria, laufen die
Hector-Street entlang. Ich blicke nach oben zum stahlblauen Himmel. Er ist frei
von Wolken und zur Abwechslung mal frei von Falkgreifern, weshalb er merkwürdig
leer auf mich wirkt.
    Den Weg in die Innenstadt kenne ich im Schlaf. Gleich
biegen wir in die Main-Street ab. Ich bin diese Strecke jeden Tag zur Schule
gelaufen. Das Gericht und die Bibliothek am Albert-Einstein-Platz liegen in
unmittelbarer Nähe der Schule. Unter meinen Füßen klingt das vertraute
Klack-Klack meiner Absätze. Das Geräusch kommt vom Widerhall auf den
Pflastersteinen. Es strahlt Sicherheit aus – im Gegensatz zu dem dumpfen
Plopp-Plopp auf den hölzernen Kellerwegen.
    Ich versuche die Sonne zu genießen und setze ein
entspanntes Lächeln auf. Sollte mich jemand sehen, will ich nicht, dass es
Gerede gibt. Die Leute sollen denken, wir machen einen Spaziergang. Endlich
werden meine Füße warm. Im Stillen danke ich dem dunklen Pflasterstein, der
sich unter dem wolkenfreien Himmel aufgeheizt hat.
    Als ich mir zum wiederholten Male in den Nacken
fasse, ziehe ich die Halskette hervor und öffne kurzentschlossen mit Daumen und
Zeigefinger den Verschluss. In einer fließenden Bewegung lasse ich das Kettchen
mitsamt dem Medaillon in meine Hand gleiten und schiebe alles in eine Falte des
eng um meine Taille gewickelten Schalgürtels. Ich will das Geschenk nicht
tragen. Schmerzhaft erinnere ich mich an das belauschte Gespräch. Irgendwie
gelingt es mir, die aufsteigenden Tränen herunterzuschlucken.
    Wir benötigen eine Stunde bis zum Gericht. Viele
Lichtblicke gibt es nicht. Die meisten Häuser sind beschädigt, die Fenster und
Türen zugemauert und die Abgänge zu bewohnten Kellerräumen mit Stahltüren
gesichert. Einige stehen um diese Tageszeit offen, damit warme Luft nachströmen
und den Muff vertreiben kann.
    Endlich sind wir da. Die Schnitte unter meinen
Fußsohlen brennen, aber ich lasse mir nichts anmerken. Die Gill-Offiziere
führen mich in eines der oberen Amtszimmer. Ich darf mich auf einen samtgepolsterten
Sessel mit geschwungenen Lehnen setzen. Was
für ein Luxus, denke ich, und blicke mich um. Über meinem Kopf baumelt ein zwölfarmiger
Kronleuchter, an den Wänden befinden sich kleine, mit Tierhaut bezogene Lampenschirme.
Die milchigen Leuchtmittel flackern und verbreiten gemütliches Licht in dem
großen Raum. Auf der Längsseite befinden sich drei hohe Rundbogenfenster. Sie
sind zugemauert und mit Ölgemälden behängt. Darauf abgebildet sind verstorbene
hochrangige Persönlichkeiten aus der Stadtregierung. Das erkenne ich an ihren
goldenen Schärpen.
    Die Tür wird mit Schwung aufgerissen. Pa:ris tritt
ein. Unter Tausenden würde ich sofort die hochgewachsene Gestalt mit den
breiten Schultern erkennen. Sein schwarzes Haar glänzt und sein Kinn wirkt eine
Spur eckiger als sonst. Ich kann meine Überraschung, ihn zu sehen, kaum
verbergen und springe freudig auf.
    »Du? Wie schön.«
    »Sei froh!«, sagt er und schließt die Tür.
    »Dein Büro?«
    »Wenn ich Statthalteraufgaben am Gericht übernehme,
dann bin ich hier.« Er macht mit der Hand eine ausladende Handbewegung. Sein
Gesicht wirkt freudlos auf mich, als wäre ihm das alles nichts wert.
Beeindruckt starre ich auf die drei braunen Holzvitrinen, die bis auf die
letzte Lücke vollgestellt sind mit goldverzierten antiken Lederbänden.
    »Was steht darin?«
    »Gerichtsurteile.«
    »Hast du welche davon gelesen?« Ich gehe ihm
entgegen.
    Pa:ris stöhnt. »Ich glaube wir sollten

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