Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
Wolfer im Unterholz
auftauchten. Ich kneife die Augen zusammen. Dann packt mich der Wolfer am
Oberarm. Im nächsten Moment stehe ich mit dem Rücken zur Kamera. Mein Gesicht
kann man nicht erkennen. Mir fällt das offene Haar über die Schultern. Der Wolfer
schiebt es zur Seite, so dass man meine bloße, nackte Haut sehen kann. Er beugt
sich dicht an mein Ohr. Oh ihr himmlischen Götter, jetzt sieht es so aus, als
würde er mich am Hals küssen. Und ich, ich wehre mich nicht. Ich stehe da und
rühre mich nicht. Verdammt. Wie muss
das für Pa:ris aussehen?
»Es ist nicht das, was du glaubst zu sehen, stammele
ich.«
»Dann erkläre es mir!« Seine Stimme schneidet in
meinen Ohren. »Erzähl mir, was ich da sehe!«
»Was hätte ich tun sollen? Mit ihm kämpfen?« Ich
blicke Pa:ris an. »Sag es mir! Was tut eine wehrlose Frau, wenn ein Zweimeter-Wolf
vor ihr steht? Ich jedenfalls habe nichts getan, was ihn hätte provozieren
können. Du weißt doch, dass es für mich eine große Überwindung ist, auch nur einmal
die Klappe zu halten und zu schweigen.«
»Haha.« Pa:ris beginnt zu lachen. Er erhebt sich
von seinem Sessel. Augenblicklich erhebe auch ich mich, verschränke die Arme
hinter dem Rücken, um keine sichtbare Abwehr zu signalisieren. »Der Wolfer hat
mir in diesem Moment zugeflüstert, dass ich weglaufen soll. Nicht mehr und
nicht weniger. Und glaube mir, Pa:ris«, ich bemühe mich, seinen Namen ganz
weich auszusprechen, und tatsächlich verharrt er in der Bewegung, »wenn ich
echte Pfeile gehabt hätte, dann hätte ich auch auf ihn angelegt. Aber ich hatte
nur die spitzgefeilten Stöcke für die Taubenjagd, und immerhin habe ich einen Falkgreifer
damit in die Flucht geschlagen, weshalb dieser Riese da wohl beeindruckt und
dankbar war, denn der Greifer war gerade drauf und dran, uns beide zu killen.«
Pa:ris tritt näher und packt mich an den Oberarmen.
Forschend sieht er mir in die Augen. Dann lässt er mich los und wandert mit den
Fingerspitzen über den Stoff. Er öffnet die obersten beiden Knöpfe meines
Kleides. Langsam schiebt er den Stoff mitsamt den Trägern meines BHs von den
Schultern. Ich halte den Atem an. Hier im Gerichtsgebäude, wird er hoffentlich
nicht weiter gehen. Er küsst mich auf den Hals, die Schulter, gräbt seine Nase
unter mein Haar. Dann legt er einen Arm um meinen Nacken und zieht mich näher.
Sein Atem strömt heiß an mein Ohr. »Erkläre es mir! Was ist der Unterschied zwischen
ihm und mir?«
»Blödmann!«, zische ich ganz weich und lege den
Kopf in den Nacken. »Vor dir laufe ich wohl nicht weg.«
Endlich, endlich ist sein Gesicht wieder ganz
entspannt, so wie ich es liebe. Die Mundwinkel seiner geschwungenen Lippen zucken,
aber seine blauen Augen funkeln verlangend und nicht rachelüstern. Ich will es
wissen, jetzt, endgültig. Ich muss es wissen. Ist er derjenige, den ich lieben
kann? Ist er derjenige, über dessen gelegentliche Machoanwandlungen ich
großzügig hinwegsehen kann? Wird es mir möglich sein, mich seinem Willen
unterzuordnen? Kann ich mir wenigstens bis zu einem bestimmten Punkt einreden,
dass ich ihn liebe, um der alten Freundschaft willen?
Ich schließe die Augen und warte ab. Pa:ris küsst
mich verlangend und leidenschaftlich. Er atmet schwer, presst mich an sich. Ich
lasse ihn gewähren, halte die Luft an, fühle seine salzige Zunge, bis ich keine
Luft mehr bekomme und japsend aufatme. Er interpretiert das als Leidenschaft
und schiebt eine Hand in meinen Ausschnitt.
»Soraya«, murmelt er und löst seine nassen Lippen
von meinem Mund, »du weißt doch, dass ich nur dich zur Frau will. Egal, ob mein
Vater sagt, du seiest eine Widerspenstige, die man erst zähmen müsse.«
»Ja«, krächze ich, und starre auf die goldenen
Knöpfe auf seinem Schulterriegel. Ich biege meinen Rücken, um wenigstens etwas
Abstand zu seinem Mund zu bekommen. »Wie soll es nun weitergehen?«, flüstere
ich.
Abrupt lässt er mich los. Beinahe falle ich nach hinten.
Verlegen richte ich mein Kleid, schließe die Knöpfe und streiche mir über die
Haare.
»Willst du meine Frau werden?«, fragt Pa:ris mich
mit rauer Stimme.
»Ja«, sage ich und beschwöre alle zweifelnden
Stimmen in meinem Kopf, sie mögen schweigen. Verlegen senke ich den Blick.
Ich habe keine Wahl, denn wie ein Damoklesschwert schweben
die Worte meiner Eltern über mir – und ihr Flüstern, das ich erst vor wenigen
Stunden belauscht habe.
Die Ungeheuerlichkeit, die ich immer noch nicht
recht begreifen
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