Rebecca
ich, daß es zwei war. Anderthalb Stunden hatten wir da gesessen, und ich hatte die Unterhaltung fast allein bestritten.
Das brachte mich wieder in die Gegenwart zurück, und verlegen, mit heißen Händen und glühenden Wangen, begann ich Entschuldigungen zu stammeln. Er aber wollte nichts davon hören.
«Ich sagte Ihnen schon zu Anfang, daß Ihr Name wunderschön und ungewöhnlich ist», sagte er, «und wenn Sie mir verzeihen, will ich jetzt noch weitergehen und Ihnen sagen, daß er ebensogut zu Ihnen paßt wie zu Ihrem Vater.
Ich habe diese Stunde mit Ihnen mehr genossen als irgend etwas seit einer sehr langen Zeit.
Sie haben mich von mir selber befreit, von meiner Schwermut und Grübelei, die mich ein ganzes Jahr lang begleiteten.»
Ich sah ihn an und glaubte ihm, denn er schien mir jetzt weniger gehemmt als vorher, mehr gegenwartsnah, menschlicher und nicht mehr von einem Schatten verdüstert.
«Wissen Sie», sagte er dann, «wir beide haben etwas gemeinsam, Sie und ich. Wir stehen beide allein in der Welt. O ja, gewiß, ich habe eine Schwester, die ich aber nicht viel sehe, und eine uralte Großmutter, der ich dreimal im Jahr einen Pflichtbesuch abstatte, aber man kann weder die eine noch die andere als angenehme Gesellschaft bezeichnen. Ich werde Mrs.
Van Hopper beglück-wünschen müssen; die neunzig Pfund im Jahr sind nicht zu viel für Sie.»
«Sie dürfen nicht vergessen», sagte ich, «Sie haben ein Heim und ich nicht.»
Im selben Augenblick bereute ich schon, diese Worte ausgesprochen zu haben, denn der verschlossene, undeutbare Ausdruck trat wieder in seine Augen. Er senkte den Kopf, um sich eine Zigarette anzuzünden, und antwortete nicht gleich.
«Ein leeres Haus kann so einsam sein wie ein überfülltes Hotel», sagte er endlich. «Das Schlimme ist nur, daß es nicht so unpersönlich ist.» Er zögerte, und ich dachte schon, er würde nun doch anfangen, von Manderley zu sprechen; aber irgend etwas hielt ihn davon ab, irgendeine Angst, die sich in seinen Gedanken nach oben drängte und alles andere unterdrückte, denn mit dem Streichholz blies er gleichzeitig den Funken seiner neuen Aufgeschlossenheit aus.
«Die Vertraute des Herzens hat also einen freien Tag?» bemerkte er, wieder auf einer sachlichen Ebene, in einem ungezwungenen Ton von Kameradschaftlichkeit. «Was gedenkt sie damit anzufangen?»
Ich dachte an den holprigen Marktplatz in Monaco und an das Haus mit dem schmalen Fenster. Gegen drei konnte ich mit Skizzenblock und Zeichenstift dort sein, und ich sagte ihm das, ein wenig unsicher wohl, wie alle untalentierten Menschen, die einer hoffnungslosen Liebe frönen.
«Ich werde Sie im Wagen hinfahren», sagte er und achtete nicht auf meine Einwände.
Mrs. Van Hoppers Vorwurf, mich aufgedrängt zu haben, fiel mir wieder ein, und mir wurde ganz heiß bei dem Gedanken, er könne womöglich mein Gerede von Monaco für einen Vorwand halten, eine Spazierfahrt zu erlisten. Es wäre typisch für sie gewesen, so etwas zu tun, und ich wollte um keinen Preis, daß er uns beide über einen Kamm scherte. Mein Zusammensein mit ihm hatte mir bereits erhöhtes Ansehen verliehen, denn als wir uns erhoben, stürzte der kleine Geschäftsführer herbei, um meinen Stuhl beiseite zu schieben. Er verbeugte sich lächelnd – völlig abweichend von seiner bisherigen gleichgültigen Haltung mir gegenüber –, hob mein Taschentuch, das zu Boden gefallen war, auf und hoffte, Mademoiselle sei mit dem Essen zufrieden gewesen. Selbst der Page an der Drehtür sah mich respektvoll an. Mein Begleiter hielt das natürlich für selbstverständlich; er ahnte ja nichts von dem schlecht aufgeschnittenen Schinken von gestern. Diese Veränderung bedrückte mich; sie ließ mich für mich selbst Verachtung empfinden. Ich dachte an meinen Vater und wie sehr er jeden Snobismus verurteilt hatte.
«Woran denken Sie?» Wir gingen zum Gesellschaftszimmer, und als ich aufblickte, fand ich seine Augen forschend auf mich gerichtet. «Ärgern Sie sich über etwas?» fragte er.
Die Aufmerksamkeit des Geschäftsführers hatte meine Gedanken in eine bestimmte Bahn gelenkt, und als wir unseren Kaffee tranken, erzählte ich ihm von Madame Blaize, der Schneiderin. Sie hatte sich so darüber gefreut, daß Mrs. Van Hopper drei Kleider bestellte, und als ich sie nachher zum Fahrstuhl brachte, hatte ich mir vorgestellt, wie sie in der engen Wohnstube hinter dem stickigen kleinen Ladenraum daran nähte, während ein
schwindsüchtiger Sohn
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