Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
sprechen, dass das aber frühestens heute Abend möglich ist. Frau Strandgård und ich sind nicht befreundet. Ich bin Anwältin bei Meijer & Ditzinger, falls dieser Name bei Ihnen da oben bekannt sein sollte …«
»Ja, hören Sie, ich bin schließlich aus Stock…«
»Und an Ihrer Stelle würde ich hier nicht mit Drohungen kommen«, unterbrach die Frau von Posts Versuch, sich Gehör zu verschaffen. »Ihr Versuch, mir Angst einzujagen, damit ich Ihnen Sanna Strandgårds Aufenthaltsort verrate, grenzt meines Erachtens bereits an ein Dienstvergehen, und wenn Sie sie zur Fahndung ausschreiben, ohne dass sie eines Verbrechens verdächtigt wird, nur, weil sie nicht ohne juristischen Beistand zur Vernehmung kommen will, dann wird das für Sie auf jeden Fall zu einer Klage beim Juristischen Ombudsmann in Stockholm führen.«
Noch ehe von Post antworten konnte, wechselte Rebecka Martinsson plötzlich in einen freundschaftlichen Tonfall über.
»Meijer & Ditzinger wollen wirklich keinen Ärger haben oder machen. Wir haben ansonsten ein ausgezeichnetes Verhältnis zu den Anklagebehörden. Zumindest ist das hier in Stockholm so. Ich hoffe, Sie glauben mir, dass Sanna Strandgård sich wie abgemacht zur Vernehmung einfinden wird. Sagen wir, heute Abend gegen acht auf der Wache.«
Damit beendete sie das Gespräch.
»Scheiße«, rief Carl von Post, als er merkte, dass er in Blut und noch etwas anderes Klebriges getreten war, über dessen Herkunft er lieber gar nicht erst nachdenken wollte.
Angeekelt wischte er sich am Läufer die Schuhe ab und ging zur Tür zurück. Dieses arrogante Weibsstück würde er sich noch vornehmen, wenn sie abends auftauchte. Aber jetzt musste er sich auf die Pressekonferenz vorbereiten. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er musste sich rasieren. In drei Tagen würde er der Presse mit kurzen Bartstoppeln gegenübertreten, um auszusehen wie der erschöpfte Mann, der auf der Jagd nach dem Mörder einfach alles gibt. Aber an diesem Tag galt es, glatt rasiert und ein wenig salopp aufzutreten. Dann würden sie ihn lieben. Etwas anderes wäre doch gar nicht möglich.
RECHTSANWALT MÅNS WENNGREN, Partner bei Meijer & Ditzinger, saß hinter seinem Schreibtisch und musterte Rebecka Martinsson. Ihre ganze Haltung ärgerte ihn. Keine Verteidigungsposition mit vor der Brust verschränkten Armen. Ihre Arme hingen gerade herab, sie hätte auch vor einer Eisbude in der Schlange warten können. Sie hatte ihren Spruch aufgesagt und wartete auf Antwort. Ihr Blick ruhte ausdruckslos auf dem japanischen erotischen Holzschnitt an der Wand. Ein junger Mann, so jung, dass er noch lange Haare hatte, saß vor einer Prostituierten auf den Knien, beide hatten ihre Geschlechtsteile entblößt. Andere Frauen wichen diesem zweihundert Jahre alten graphischen Blatt mit Blicken aus. Måns Wenngren konnte oft sehen, wie sie trotzdem verstohlen zu dem Bild hinüberschielten, neugierig wie schnüffelnde Hunde. Aber lange wurde nie geschnüffelt. Der Blick wurde rasch niedergeschlagen oder auf einen anderen Gegenstand im Zimmer gerichtet.
»Wie viele Tage willst du wegbleiben?«, fragte er. »Bei dringenden Familienangelegenheiten hat man Anspruch auf zwei freie Tage, reicht das?«
»Nein«, antwortete Rebecka Martinsson. »Und es geht nicht um meine Verwandtschaft, ich bin, wie soll ich sagen, eine alte Freundin ihrer Familie.«
Etwas in ihrer Ausdrucksweise weckte in Måns Wenngren den Verdacht, dass sie log.
»Ich kann leider nicht genau sagen, wie lange ich wegbleiben werde«, sagte Rebecka jetzt und schaute ihm gelassen in die Augen. »Ich habe noch ziemlich viel Urlaub und …«
Sie verstummte.
»Und was?«, vervollständigte ihr Chef diesen Satz. »Ich hoffe, du wolltest jetzt nicht mit mir über Überstunden reden, Rebecka, das würde mich dann doch enttäuschen. Ich habe es schon früher gesagt, und ich sage es jetzt wieder, wenn ihr merkt, dass ihr eure Arbeit nicht innerhalb der normalen Arbeitszeit erledigen könnt, dann müsst ihr weniger Aufträge annehmen. Alle Überstunden hier sind freiwillig und unbezahlt. Sonst könnten wir dich ja auch gleich zu einem Jahr bezahlten Urlaub entlassen.«
Das Letzte fügte er mit einem versöhnlichen Lächeln hinzu, aber dann setzte er sofort wieder seine grimmige Miene auf, als sie nicht einmal ein Lächeln als Antwort andeutete.
Rebecka betrachtete ihren Chef schweigend, ehe sie wieder etwas sagte. Er machte sich zerstreut an irgendwelchen Unterlagen zu
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