Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
dem Auto. Schussbereit.
Anna-Maria versucht, dort unten jemanden zu sehen, aber sie erkennt nur Baumstämme, die im gespenstischen Licht der Autoscheinwerfer ihre winterschwarzen Äste recken.
Sie denkt eigentlich nicht. Kann keinen Entschluss fassen.
Aber sie trägt in sich die Gewissheit, dass die Fliehenden da unten bald erschossen werden, wenn sie nichts unternimmt.
Und in diesem Wagen, der sich mit suchenden Mordlichtern dreht wie eine Maschine mit eigenem Leben, in diesem Auto sitzt ein totes kleines Kind.
In ihren Schritten liegt eine verzweifelte Wut, als sie mit gezogener Waffe auf den Wagen zurennt. Ihre Füße bohren sich in den Boden, es ist wie ein Traum, in dem man läuft und läuft und nie ans Ziel kommt.
Aber sie kommt ans Ziel, in Wirklichkeit braucht sie nur einige Sekunden.
Sie haben sie nicht entdeckt, ihre Aufmerksamkeit konzentriert sich in eine andere Richtung. Sie schießt den Scharfschützen in den Rücken. Er fällt kopfüber zu Boden. Noch zwei schnelle Schritte, und sie schießt dem Fahrer durch das Seitenfenster in den Kopf.
Der Motor verstummt, aber das Fernlicht flutet noch immer. Sie denkt nicht daran, dass noch andere da sein könnten, es gibt keine Angst, sie rennt im Lichtstrom die Terrasse hinunter. Auf den Obstgarten zu. Zwischen die Bäume. Folgt dem Mann mit der Maschinenpistole, der die Person mit der anderen auf den Schultern verfolgt.
Sie hat noch sieben Schüsse. Das ist alles.
Sven-Erik Stålnacke geht in der Dunkelheit in die Hocke, als der Hummer zum Gutshaus hochfährt. Er sieht, dass er zur Terrasse fährt und vor dem Obstgarten anhält, zurücksetzt und weiterfährt. Er sieht nicht die Person, die sich mühsam durch den Obstgarten kämpft, mit dem anderen Menschen auf dem Rücken, aber er sieht den Mann mit der Maschinenpistole, der auf etwas schießt und dann die Terrasse hinunterrennt. Er sieht den Scharfschützen, der schussbereit und spähend neben dem Hummer steht. Er schaut auf die Uhr und fragt sich, wie lange es dauern wird, bis die Kollegen eintreffen.
Er kann kaum begreifen, was er sieht, als er den Schuss hört und der Scharfschütze vornüberfällt, dann erschießt jemand den Fahrer. Er versteht erst, dass es Anna-Maria war, als er sie im Licht des Autos auf den Obstgarten zurennen sieht.
Sven-Erik richtet sich auf. Er wagt nicht, ihren Namen zu rufen.
Herrgott, sie ist im Licht doch deutlich zu sehen. Totaler Wahnsinn. Er ist wütend!
Und während er noch diesem Gefühl nachhängt, richtet der Scharfschütze sich auf. Die Angst rauscht wie eine Schockwelle durch Sven-Erik. Sie hat ihn doch erschossen. Dann geht ihm auf, dass der Mann eine kugelsichere Weste trägt.
Und da rennt Anna-Maria, wie eine lebende Zielscheibe mitten im Licht.
Sven-Erik wird schneller. Für sein Alter und sein Gewicht bewegt er sich sehr leise und schnell. Und als der Scharfschütze auf Anna-Maria zielt, bleibt Sven-Erik stehen und hebt seine Waffe. Näher ist er nicht gekommen.
Es kann gehen, sagt er sich.
Er hält die Waffe mit beiden Händen, atmet tief durch, merkt, wie er vor Angst, Anstrengung und Anspannung zittert. Und er hält den Atem an, als er abdrückt.
Eine der Kugeln aus der Maschinenpistole trifft Ester. Sie spürt, wie die Kugel in ihren Oberarm eindringt. Es ist ein Stoß und fühlt sich an wie ein Brand. Es verfehlt den Knochen. Es verfehlt die großen Adern. Es irrt durch das Gewebe.
Nur einige kleine Blutgefäße werden zerfetzt, und sie ziehen sich vor Schock zusammen. Es wird noch dauern, bis die Blutung einsetzt. Die Kugel durchschlägt den Arm und bleibt auf der anderen Seite gleich unter der Haut stecken. Wie ein Klumpen. Es gibt kein Austrittsloch.
Sie wird an dieser Verletzung verbluten. Kleine Wunden und arme Freunde soll man nicht verachten. Aber es wird noch eine Weile dauern. Sie wird Mauri noch ein Stück tragen.
Ich heiße Ester Kallis. Das hier ist nicht mein Schicksal. Es ist meine Entscheidung. Ich trage Mauri auf dem Rücken, und bald sind wir im Wald. Es sind noch vierhundert Meter.
Er ist ganz still, aber ich mache mir keine Sorgen. Ich weiß, dass er leben wird. Ich trage ihn. Und ich trage den kleinen Jungen, den ich bei unserer ersten Begegnung gesehen habe. Den zweijährigen Jungen, der sich an den Rücken eines erwachsenen Mannes klammerte, als der unsere Mutter besteigen wollte. Der kleine weiße, magere Rücken in der Dunkelheit. Dieses Kind trage ich.
Der Schmerz im Arm ist stechend und rot, die Farbe
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