Rebellische Herzen
warten, Miss Setterington, könnten Sie doch ein wenig über die Vornehme Akademie für Gouvernanten erzählen.«
Miss Setterington – so erschien es Adorna jedenfalls – versuchte einen leichten Anflug von Panik zu überspielen, indem sie sich erhob. »Nichts täte ich lieber, aber wollen wir es uns nicht erst einmal etwas bequemer machen?«
Adorna setzte sich neben das Kaminfeuer, und Miss Setterington schob einen kleinen Tisch neben sie. »So ist es gemütlicher«, verkündete sie und nahm auf der anderen Seite Platz. »Eigentlich nennen wir unser Unternehmen ›Die Schule für Erzieherinnen‹.« Sie faltete die Hände im Schoß und lächelte so zufrieden, dass Adorna schon glaubte, sie hätte sich Miss Setteringtons Anflug von Unsicherheit nur eingebildet. »Lady Charlotte Dalrumple, Miss Pamela Lockhart und ich betreiben die Akademie gemeinschaftlich.«
Adorna wies auf den aktenbeladenen Schreibtisch. »Wie kann es sein, dass ein so junges Unternehmen so viele Klienten hat?«
»Wir drei haben alle langjährige Erfahrung.«
Adorna blickte ihr Gegenüber forschend an. Wirklich beantwortet hatte Miss Setterington die Frage nicht.
Doch die fuhr ungerührt fort. »Wir vermitteln Erzieherinnen, Gesellschafterinnen, Klavier-, Handarbeits- und Tanzlehrerinnen. Sobald die Akademie groß genug ist, werden wir unsere Lehrkräfte selbst ausbilden. Auf der Suche nach Lehrkräften wird sich die feine Gesellschaft schon bald ganz selbstverständlich an die Schule für Erzieherinnen wenden.«
Diese Geschäftsidee erschien zwar neu, andererseits aber nur folgerichtig. Adorna wunderte sich, warum nicht schon längst jemand darauf gekommen war. »Eine recht schwierige Unternehmung für drei Ladies, wie mir scheint. Haben Sie nie daran gedacht, sich um männlichen Beistand zu bemühen?«
Hannahs Lächeln erstarb. »Wir sind alle drei ledig, und Sie wissen ja, wie schnell Gerüchte aufkommen.«
Adorna war ihr ganzes Leben Zielscheibe von Gerüchten gewesen. »Das weiß ich allerdings.«
»Ich fürchte, die Beteiligung eines Mannes könnte missverstanden werden«, fuhr Miss Setterington fort. »Wir werden es alleine schaffen müssen.«
»Sie erinnern mich sehr an meine Tante Jane, eine berühmte Künstlerin. Mit dem Unterschied, dass sich Tante Jane schlichtweg weigert, dummes Gerede zur Kenntnis zu nehmen.«
Hannah strich ihren Rock glatt. »Nun, vielleicht sorgen wir uns auch ganz grundlos.«
»Oh, nein. So weit würde ich nicht gehen. In der guten Gesellschaft hörten wir einige missgünstige Bemerkungen, als von Ihnen die Rede war.«
Miss Setterington richtete ihre braunen Augen fragend auf Adorna. »Missgünstige Bemerkungen?«
Adorna stützte ihr Kinn in die Hand und dachte nach. »Befremdlich, unglaublich, absurd nannten sie Ihr Unternehmen.« Sie zog, in Erwartung des Tees schon einmal die Handschuhe aus. »Dazu muss man aber wissen, dass meine Freunde mit den Jahren zu recht blässlichen Moralaposteln verkommen sind.«
Hannahs Augen blitzten. »Tatsächlich?«
»Wenn man sie heute so hört, würde man nicht glauben, dass sie einmal in verschwitzen Kleidern ganze Nächte durchtanzt haben.« Adorna lächelte, als sie an die wilden Nächte ihrer ersten Ballsaison zurückdachte. »Um die Wahrheit zu sagen, wenn meine Lage nicht so verzweifelt wäre, hätte ich das einzig Angemessene getan und mir im Freundeskreis eine Gouvernante empfehlen lassen.«
»Wir sind froh, dass Sie es nicht getan haben.«
Adorna war sicher, das Richtige zu tun. Keine Sekunde gab sie sich der Illusion hin, irgendeiner ihrer Freunde hätten ihr geholfen und dabei Stillschweigen bewahrt.
Miss Setterington holte sie aus ihren Gedanken. »Da kommt unser Tee, serviert von Lady Charlotte.«
Lady Charlotte Dalrumple – dieses junge Mädchen mit dem schweren Tablett voller Teesilber? Adorna konnte es nicht glauben.
Miss Setterington hatte ihr Lady Charlotte als eine Frau von strengsten moralischen Grundsätzen und unnachgiebiger Entschlossenheit beschrieben.
Keines der beiden Attribute schien sie angemessen zu beschreiben. Sie wirkte ebenso jung wie ihre Geschäftspartnerin, kaum älter als zweiundzwanzig, anmutig, mit wohlgeformten Brüsten und einer Taille, die ein Mann mit den Händen umfassen konnte. Ihr Gesicht war entzückend und ihr Mund schien allein zum Küssen gemacht. Der Schein des Kaminfeuers fing sich in einzelnen losen Strähnen ihres kupferroten Haares, das meiste davon war jedoch streng in der Mitte gescheitelt und
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