Rebellische Herzen
in die Luft und tanzte mit.
Nur Cusheon wirkte noch nüchtern und aufgeräumt, als er das Arbeitszimmer betrat. »Falls die Damen bereit sind, bringe ich jetzt die Gläser.«
»Ja, vielen Dank, Cusheon.« Hannah sah dem alten Butler mit leuchtenden Augen zu, als er den Staub von der Brandyflasche wischte und die Gläser mit einer für Damen angemessenen Menge füllte. »Bitte trinken Sie doch auch einen. Ohne Sie hätten wir das niemals geschafft.«
Cusheon kam der Bitte mit einer Verbeugung nach. »Vielen Dank, gnädige Frau. Sie wissen ja, dass der Koch und ich inständig auf den Erfolg ihres Unternehmens hoffen. In unserem Alter ist es sehr schwer, eine neue Anstellung zu finden.«
»Wir werden bestimmt erfolgreich sein!«, sagte Pamela.
»Dessen bin ich sicher«, Cusheon prostete ihnen zu.
»Auf die echte Lady Temperly«. Hannah hob ihr Glas. »Gott möge ihrer gütigen Seele gnädig sein.«
»Auf Lady Temperly.« Charlotte nahm einen Schluck und zog eine Grimasse. »Ich hasse Brandy.«
»Trink ihn trotzdem«, sagte Hannah. »Er hilft gegen Blutarmut.«
Pamela lachte. »Das ist ein Ammenmärchen, und eine Amme bist du nun wirklich nicht.«
Charlotte betrachtete Pamelas täuschend echte Verkleidung mit sorgenvoller Miene und hob den Schleier auf. »Seid ihr sicher, dass diese List wirklich nötig war?«
Charlotte hasste es, nicht aufrichtig zu sein. Hannah und Pamela warfen einander einen bedeutungsschweren Blick zu und machten sich einmal mehr daran, Charlotte von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen.
Diesmal fing Pamela an. »Alles lief wie besprochen. Wir haben unserer ersten Kundin doch nur über ihre anfängliche Unentschlossenheit hinweggeholfen, indem wir so taten, als wären wir erfahren und erfolgreich.«
»Wir sind völlig neu in diesem Geschäft und wenn wir versagen, verlieren wir unser Haus.« Hannah machte eine Geste, die das gesamte Gebäude einschloss. »Lady Temperly hat mir zwar dieses Haus vererbt, aber wir haben keinen einzigen Penny. Möchtest du etwa, dass wir es deshalb verkaufen müssen?«
»Nein, aber -«
»Wir haben einfach unser Glück beim Schopf gepackt.« Hannah legte Charlotte den Arm um die Schulter und ging mit ihr zum Kamin. »In diesem Haus hier haben wir genug Platz, um unsere Schule zu eröffnen und anderen Frauen eine Arbeitsstelle zu vermitteln. Als Eigentümerinnen der Vornehmen Akademie für Gouvernanten geben wir unser Wissen weiter
und
bringen die feine Gesellschaft dazu, uns die entsprechenden Vermittlungsgebühren zu zahlen.«
Charlotte sank in einen Sessel. »Aber wir sind nicht, was wir zu sein vorgeben.«
»Natürlich sind wir das. Du bist Lady Charlotte Dalrumple, auch bekannt als Miss Priss – wegen deiner Begabung, junge Leute zu drillen. Und das ist Miss Hannah Setterington, die ehemalige Gesellschafterin jener weit gereisten Lady Temperly, die nur leider vor einem Monat verstorben ist.« Pamela warf sich in Pose. »Und ich bin Miss Pamela Lockhart – zumindest, sobald ich mich wieder umgezogen habe.«
Charlotte blickte immer noch zweifelnd drein.
»Charlotte, ich habe zehn Jahre Erfahrung mit der Erziehung von Kindern«, sagte Pamela ernst. »Und Hannah hat Lady Temperly wirklich begleitet. Wir sind für das, was wir vorhaben, qualifiziert.«
»Sobald wir alle selbst eine Anstellung gefunden haben und die ersten Provisionen fließen, können wir anderen Frauen weiterhelfen, die nicht wissen, was aus ihnen werden soll, wenn ihre Anstellung endet.« Hannah wusste, dass damit alles gesagt war. »Das ist es allemal wert, eine Lady Ruskin ein klein wenig in die Irre zu führen.«
»Ja.« Charlotte straffte die Schultern. »Sobald wir etabliert sind, werden alle nur profitieren.«
»Genau. Außerdem glaube ich, dass du nur deshalb bedrückt bist, weil -« Hannah hielt inne.
Pamela hakte nach. »Weil, was?«
Charlotte nahm einen weiteren Schluck von dem verhassten Brandy und sagte: »Weil meine neue Stellung in Surrey ist.«
»Oh, nein.« Pamela setzte sich hart auf einen Schemel. »Ausgerechnet Surrey!«
»Es
spielt
keine Rolle«, sagte Charlotte, obwohl sie alle wussten, dass es das sehr wohl tat. »Ich werde wie immer meine Pflicht tun und alles wird gut werden.«
Kapitel 2
Die offene Kutsche rumpelte eine Landstraße hinunter und der kühle, frische Wind wehte Charlotte den Duft der North Downs, der grünen Hügel Nordsurreys, in die Nase. Surrey roch nach Kletterrosen, die sich an uralten Spalieren emporrankten, nach Gelächter
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