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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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sie aus Licht.
    ***
    An Wolken dachte Ebba, als sie den Koffer die Stufen zwischen Auffahrt und Vorhof hinaufzog, in Rostrot und Algengrün, als würden sie auf sonnenbeschienenen Steinen im flachen Wasser wachsen. An den Wänden Wolken. Dunkler dort, wo die Pflanzenkübel an den Mauern standen. Lela war nicht erstaunt gewesen, als sie vom Flughafen angerufen hatte. »Nimm den neunzehndreiunddreißiger«, hatte ihre Großmutter gesagt, den Zug gemeint, Lela kannte die Fahrpläne. Hatte am Bahnhof gestanden, »ich habe nichts Richtiges fertig« gesagt, sobald sie Ebba sah. Nichts Richtiges fertig bedeutete, keine drei Gänge, Suppe, Fleisch, Nachspeise. »Nur Eier«, sagte Lela. Lela war zufrieden, solange man aß.
    Der Kofferbügel presste Striemen in ihre Handfläche, sie ballte und öffnete die Finger, während ihre Großmutter aufschloss. An geordnete Zweispurigkeit dachte Ebba. Dicht und gleichmäßig hatten die Ameisen früher die Auffahrt mit den Hundenäpfen verbunden. Ein wirres Straßennetz überzog das abplatzende Weiß der Wände, die dunklen Steine darunter. Die Straßen änderten ihren Verlauf, brachen ab, bekamen Lücken, wechselten die Richtung. Die Hunde werden zum Glück kleiner, dachte Ebba. Und dass es leichter war, unbemerkt zu verschwinden, als sie geglaubt hatte.
    An Höhlen dachte Ebba. An Algen, rau und viel härter, als sie aussahen, wenn man mit den Händen hineingeriet. Ihre Fingerspitzen tasteten, Krisseliges unter den Nägeln. Rutschten tiefer, suchten, schoben sich weiter vor. Glatt musste es sich anfühlen, ein weicher Gummiring, eine kleine feste Kugel, vorne, dort, wo sie das Kondom zugeknotet hatte, eine größere weiter hinten. Rau fühlten sich die Innenwände an, als wären sie bewachsen, sie machten Geräusche, wenn Ebba versuchte die Hand zu drehen. Sie war nicht sicher, ob es draußen zu hören war.
    »Das Essen«, wiederholte Lela, zwischen ihnen die weiß lackierte Badezimmertür, Lela klopfte erneut.
    »Gleich«, brüllte Ebba, ihre Finger hielten inne, sie starrte die hellblauen Kacheln an, die Wände warfen ihre Stimme zurück, laut und hart. »Gleich«, wiederholte sie, sanfter diesmal, ihre Scheide gab erneut ein saugendes Geräusch von sich. Ich muss kacken, wird sie denken, oder heulen, Letzteres wäre schlimmer. Sie tastete weiter unsichtbare Wände ab, sah zwischen ihren Schenkeln durch auf die glatte Wasseroberfläche, auf weißes Porzellan. Die Klobrille ächzte, als sie das Gewicht verlagerte, um weiter vorzudringen. Glatt musste es sein, glatt und weich, ein Schatz im Krisseligen. Entspann dich, dachte sie, es kann nicht weg sein. Schwor sich, die Eier zu essen, wenn sie ihn wiederfand, ihren Schatz.
    Warm war er, als sie ihn schließlich hervorzog, das Hasch von ihren Schleimhäuten zu einer Halbkugel geformt, knetbar. Das Gras sah genauso aus wie vorher, sie drehte den Wasserhahn auf, damit das Reißen des Gummis draußen nicht zu hören war. Falls Lela noch vor der Tür stand, stand sie schweigend. Ebba schob die Luft im Latex zu einer Blase zusammen, drückte so fest, dass sie platzte, es klang wie ein kleiner Ballon.
    Eine Woche hatte sie mindestens, schätzte sie, alle vierzehn Tage rief Theresa an, um auf dem Laufenden zu bleiben, wie sie sagte. Um Nachschub musste sie sich keine Sorgen machen, an klaren Tagen konnte man beinahe Marokko sehen.
    ***
    »Wo ist Ebba?«
    Er blickte die Fassade hinauf, ab dem ersten Stock sah sie intakt aus, schwarze, spitz zulaufende Rußhauben über den Fenstern des Erdgeschosses, der Rauch war sicher über das Treppenhaus in den Zweiten gelangt.
    »Claas?«
    Er sah das Telefon an.
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    »Ist sie zu Hause, hast du sie gesehen?«
    »Ich bin gerade angekommen, mit dem Taxi, keine Ahnung, ob sie zu Hause war.«
    Tula hatte geklopft, während der Sitzung, »die Polizei«, hatte sie gesagt.
    »Ich komme«, sagte Theresa, ihre Stimme ganz hoch, als würde sie keine Luft kriegen.
    »Nur das Erdgeschoss brennt«, sagte Claas.
    »Sie hatte irgendwann jetzt ein Bewerbungsgespräch. Vielleicht ist sie dort. Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«
    Als er den Heizlüfter gesucht hatte, Claas sah ihn auf den Dielen stehen, der Lack abgetreten, braunes, bloßes, glattes, sehr trockenes Holz, wenige Zentimeter unter den glühenden Heizstäben.
    »Letzte Woche«, sagte er, »ich hab sie letzte Woche das letzte Mal gesehen.« Er legte auf.
    Vier schwarz umrandete Quadrate, das erste war die Küche, das schmale die

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