Rechnung offen
Lacht, wenn der Stromanbieter mahnt, die drei Euro gehen auf mich, sagt sie. Hab ich verschwitzt, sorry, wenn die Zahnarztpraxis anruft, und die Sprechstundenhilfe lacht auch, konntest sie hören, hast neben Britta gestanden, sie hat eine Grimasse gemacht.
»Frisch getrennt«, hast du gesagt. Ihr hättet zusammengewohnt, hast es nicht mehr ausgehalten. Hat ihn schwer getroffen, dass du ihn nicht mehr liebst. Konntest seine Vorwürfe nicht ertragen. Darum hast du keine Möbel, willst sie später holen, wenn er sich beruhigt hat. Suchst einen Job, hast noch Geld zurückgelegt, gibst ihr eine Monatsmiete im Voraus und noch eine als Sicherheit. Bar, erst stutzt sie, ich gebe dir für nächsten Monat meine Kontodaten, sagt sie. Und kein Problem. Hast ihren alten Futon bekommen. Drei Pflanzen. Hast dir einen Stuhl gekauft, einen Klappstuhl aus blauem Plastik. Britta hat dir Kleiderbügel gegeben, für deine Sachen, die Bügel hängen an den Nägeln, vor den viereckigen hellen Stellen, die die Bilder von Brittas letzter Mitbewohnerin hinterlassen haben.
Abends kocht ihr, seht nach dem Essen gemeinsam fern, manchmal geht Britta mit Freundinnen ins Kino, am Wochenende tanzen, fragt nicht, ob du mitwillst. Schaust dir ihre Sachen an, wenn sie bei der Arbeit ist. Vorsichtig zuerst, immer bereit, zurück ins Wohnzimmer zu rennen, sobald du ihren Schlüssel hörst. Tagsüber, traust dich nicht, Licht anzumachen, wenn es dunkel ist. Stellst dir vor, wie sie die Straße entlangkommt und es sieht. Liest ihre Briefe, die meisten sind von einem Norbert, sie hat ihn betrogen.
Beim Essen fragst du. Nach den Müttern. Den Fällen, die sie betreut. Ob sie ihr leidtun. Nach ihren Wohnungen, den Maßnahmen. Freakparade, sagt Britta. Die Kinder tun ihr leid.
Montag, 15. Dezember
Sie hatte den Alarm nicht gehört, die Sirenen, hatte auf der Couch gelegen, nach dem Mittagessen, musste fest geschlafen haben, nicht mal die Einschläge hatte sie bemerkt. Einen Topf vergessen, dachte Elsa erst, auf dem Herd, war aufgestanden, hatte die Wohnzimmertür geöffnet, das Licht angeschaltet.
Der Rauch kam durch die Ritzen der Wohnungstür, kroch an den Seiten herein, glitt über die Schwelle, züngelte, drehte Spiralen, stieg auf. Sammelte sich unter der Flurdecke, eine weißgraue Schicht, nach dichter Bewölkung, nach Dauerregen sah es aus. So ist das dann also, dachte sie.
Sie musste in den Keller, nahm den Mantel von der Garderobe, ihre Hausschuhe lagen noch vor dem Sofa. Sie bückte sich nach dem Schuhschrank, versuchte ihren Fuß in die braunen Schnürer zu schieben, tastete nach dem Anzieher. Der Schuhlöffel hing nicht an der Innenseite der Schranktür, das dauert zu lang, dachte sie. Stiche im Hals beim Einatmen, ihr Rachen gereizt, sie hustete. Die Wolke breitete sich unter der Decke aus, wurde dichter, schob sich näher an sie heran. Sie nahm den Schlüssel vom Haken, atmete so tief ein, als würde sie gleich unter Wasser tauchen, noch mehr Stiche, und öffnete die Tür. Rauch drängte ihr entgegen, sie suchte den leuchtenden Punkt des Lichtschalters, gegenüber an der Wand musste er sein, aber da war nichts.
Sie zog die Tür hinter sich zu, sie musste in den Keller, lauschte, keine Flugzeugmotoren, keine Flak, tastete im Dunkel nach dem Schloss, spürte Holz unter ihren Fingern, Mauer, weiter zur Seite, einerlei, dachte sie, sollten sie doch plündern, sie musste in den Keller.
Sie konnte die Streifen nicht finden, die hellweißen Streifen, denen sie folgen musste, zum Luftschutzraum, ging die Verschläge entlang, zurück zur angelehnten Tür, blieb vor dem Schalter stehen, Der Feind sieht dein Licht, Verdunkeln! , war nicht sicher, ob sie noch kontrollierten, wenn die Bomben schon fielen, still war es. Der Strom funktionierte noch, die Birne ging an, ganz kurz nur, dachte sie, bis sie den Streifen fand. An der Mauer gegenüber der Treppe musste er beginnen, aber dort waren nur Verschläge, silbern glänzten die Bügel der Vorhängeschlösser. Bei einem Verschlag fehlten zwei Latten, sie spähte hinein, die Rückwand konnte sie nicht sehen, Stimmen auf dem Hof hinter ihr. Rasch ging sie zurück zum Schalter, knipste das Licht aus, hielt den Atem an, Strafe musste man zahlen, wenn man gegen die Verdunkelungspflicht verstieß. Die Tür ging auf.
»Hallo«, rief ein Mann.
Nicht atmen, nicht bewegen. Sie trugen riesige Helme mit Lampen, blaue Uniformen, die sie gar nicht kannte, Streifen auf ihm, die im Halbdunkel leuchteten, als wären
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