Red Rabbit: Roman
Das Frühstück war rasch verspeist, und eine halbe Stunde später war er beinahe fertig angezogen.
»Welche Krawatte heute, Schatz?«
»Also, in Russland solltest du vielleicht ab und zu auch mal Rot tragen.« MP reichte ihm zwinkernd die Krawatte und die glücksbringende silberne Spange.
»Mhm«, brummte er und sah in den Spiegel, um sie an seinem Kragen zu befestigen. »Ta-ta! Hier ist Edward Foley senior, Presseattaché.«
»Du bist wirklich sehr überzeugend, Schatz.« Mary Pat küsste ihn ein bisschen laut.
»Bye, Daddy!«, rief der Junior, als sein Vater zur Tür ging, und hob beiläufig eine Hand. Zum Küssen war er inzwischen schon zu alt.
Der Weg zur Arbeit war lähmende Routine. Zu Fuß zur Metro. Am Kiosk die Zeitung kaufen und exakt die gleiche U-Bahn für den gleichen Fünf-Kopeken-Fahrpreis nehmen, denn wenn er auf dem Nachhauseweg immer die gleiche U-Bahn nahm, um vom KGB als stures Gewohnheitstier eingestuft zu werden, dann musste er Morgen-und Abendgewohnheiten spiegelbildlich aufeinander abstimmen. In der Botschaft ging er in sein Büro und wartete darauf, dass Mike Russell die Morgennachrichten brachte. Es waren ungewöhnlich viele, wie er sah.
»Ist auch was zu dem Thema dabei, über das wir gesprochen haben?«, fragte der Kommunikationsbeamte, der nicht sofort wieder gegangen war.
»Sieht nicht so aus«, antwortete Foley. »Damit habe ich Ihnen wohl ein bisschen viel Stress gemacht, nicht wahr?«
»Material sicher rein und raus zu bekommen ist mein Job, Ed, das wissen Sie doch.«
»Sehen Sie es mal von meiner Seite, Mike. Wenn man mir auf die Schliche kommt, bin ich so nutzlos wie ein Aschenbecher im
Nichtraucherabteil. Ganz zu schweigen von den Leuten, die deswegen dran glauben müssen.«
»Schon klar.« Russell zögerte. »Ich kann nur einfach nicht glauben, dass meine Systeme so einfach zu knacken sind, Ed.«
»Ich will Ihnen da keineswegs widersprechen, aber wir können nicht vorsichtig genug sein, oder?«
»Auf jeden Fall. Wenn ich den erwische, der in meinem Laden rumschnüffelt, lebt er nicht mehr lange genug, um dem FBI ein Geständnis abzulegen«, drohte er finster.
»Lassen Sie sich bloß zu nichts hinreißen.«
»Ed, als ich in Vietnam war, sind wegen schlecht chiffrierter Nachrichten Soldaten umgekommen. Das sagt doch wohl alles über die Wichtigkeit geschützter Kommunikation, oder?«
»Wenn ich irgendwas höre, sorge ich auf jeden Fall dafür, dass Sie’s erfahren, Mike.«
»Okay.« Russell ging. Hätte nur noch gefehlt, dass Rauch aus seinen Ohren kam.
Foley ordnete und las seine Korrespondenz – die natürlich an den COS adressiert war, nicht an eine namentlich genannte Person. Es herrschte nach wie vor Besorgnis in Sachen KGB und Papst, aber abgesehen vom Rabbit hatte er nichts Neues zu berichten, und dass Flopsy etwas zu diesem Thema beizusteuern hätte, war nur eine Vermutung. Starkes Interesse an der Politbürositzung von vergangener Woche, aber was das betraf, musste er warten, dass von seinen Quellen etwas einging. Fragen nach Leonid Breschnews Gesundheitszustand. Zwar kannten sie die Namen seiner Ärzte – ein ganzes Team –, aber keiner von denen stand mit der CIA in Kontakt. Allerdings brauchte man nur sein Gesicht im Fernsehen zu sehen, um zu wissen, dass Leonid Iljitsch bei den nächsten Olympischen Spielen nicht am Marathonlauf teilnehmen würde. Aber solche Leute hielten sich mitunter noch jahrelang, was gut oder schlecht sein konnte. Dass Breschnew sich aus Afghanistan zurückzog, war jedenfalls nicht zu erwarten. Das Leben junger russischer Soldaten interessierte ihn einen Dreck, ganz besonders, wo er den eigenen Tod nahen spürte. Die CIA interessierte natürlich seine Nachfolge, aber es galt als beschlossene Sache, dass Juri Wladimirowitsch Andropow als Nächster den Platz am Kopfende des Tisches einnehmen würde, wenn er nicht gerade unerwarteterweise das Zeitliche segnete oder einen
gewaltigen politischen Fehltritt beging. Dafür war Andropow allerdings ein viel zu gewiefter Taktierer. Nein, er war der augenblickliche Zarewitsch, und damit hatte es sich. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht allzu energiegeladen auftreten würde – womit allerdings nicht unbedingt zu rechnen war, wenn die Geschichten über sein Leberleiden stimmten. Sooft Foley ihn im russischen Fernsehen sah, hielt er nach der gelben Hauttönung Ausschau, die auf diese spezielle Krankheit hindeutete – was sich natürlich mit Make-up verbergen ließ, falls auf solche
Weitere Kostenlose Bücher