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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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zuletzt auch sein ausgeprägtes Erinnerungsvermögen zurückführte, hatte er doch alle wichtigen Partien der Großmeister auswendig gelernt, um sein eigenes Spiel danach auszurichten. Er hatte sogar daran gedacht, Profi zu werden, und entsprechend hart trainiertaber nicht hart genug, wie es schien. Boris Spassky, damals selbst noch ein junger Spieler, hatte ihn in sechs Spielen geschlagen, nur zwei Remis zugelassen und somit all seine Hoffnungen auf Ruhm, Reichtum und ausgedehnte Reisen zunichte gemacht. Er seufzte. Reisen… Seine Erdkundebücher hatte er verschlungen, und wenn er jetzt die Augen schloss, konnte er sich immer noch die Abbildungen in Erinnerung rufen: Schwarzweißbilder des Canal Grande von Venedig, der Regent Street in London, der Copacabana von Rio de Janeiro oder der Südostflanke des Mount Everest, über die Hillary aufgestiegen war, als er selbst gerade zu laufen gelernt hatte. All diese Orte würde er nie zu Gesicht bekommen. Er nicht. Nicht ein Geheimnisträger seines Ranges. Nein, mit solchen Leuten ging der KGB sehr behutsam um. Niemandem war zu trauen. Warum nur gab es so viele, die aus dem Land zu fliehen versuchten? Und doch hatten viele Millionen Menschen im Kampf für die rodina , die Heimat, ihr Leben gelassen. Der Militärdienst war ihm erspart geblieben, vielleicht wegen seiner Fähigkeiten als Mathematiker und Schachspieler, vor allem aber, so vermutete er, weil ihm Aufgaben in der Zentrale am Lubjanka-Platz Nummer 2 zugedacht waren. Dazu bekam er eine hübsche Wohnung, volle 75 Quadratmeter in einem neu gebauten Apartmenthaus. Und befördert wurde er. Nur wenige Wochen nach seiner Volljährigkeit durfte er sich schon Major nennen. Nicht schlecht. Und was noch besser war: Sein Sold wurde in frei konvertierbaren Rubeln ausbezahlt, sodass er auch in den Transitläden, die für andere gesperrt waren, Konsumgüter aus dem Westen kaufen konnte – und das, ohne Schlange stehen zu müssen, was vor allem seiner Frau gefiel. Schon bald fand er Zugang zur Nomenklatura, sah die Karriereleiter vor sich aufragen und fragte sich, bis zu welcher
Sprosse er wohl kommen würde. Dass darüber nicht wie früher bei den Zaren die Herkunft entschied, sondern allein die eigenen Verdienste, motivierte ihn, Major Zaitzew, umso mehr.
    Ja, er hatte sich seine Sporen verdient, und allein darauf kam es an. Deshalb war er auch Geheimnisträger. Zum Beispiel wusste er von einem Agenten mit dem Decknamen CASSIUS, einem in Washington lebenden Amerikaner. Der hatte offenbar Zugriff auf wichtige politische Informationen, die von den Leuten auf der fünften Etage unter Verschluss gehalten und gelegentlich an Experten vom U.S.-Kanada-Institut weitergeleitet wurden, deren Spezialität es war, den Kaffeesatz in Amerika zu studieren. Kanada war für den KGB nicht besonders wichtig, abgesehen davon, dass es an der amerikanischen Luftabwehr partizipierte, sowie von der Tatsache, dass manche seiner hochrangigen Politiker den mächtigen Nachbarn im Süden nicht besonders gut leiden mochten. Jedenfalls behauptete das der Mann aus Ottawa. Zaitzew hatte seine Bedenken. Auch die Polen waren auf den Nachbarn im Osten nicht gut zu sprechen, folgten aber in der Regel seinen Wünschen – so berichtete der Mann in Warschau bei seinem Rapport im vergangenen Monat mit unverhohlener Genugtuung –, und zwar zum großen Missfallen dieses notorischen Hitzkopfes. »Konterrevolutionärer Abschaum«, schimpfte Oberst Igor Aleksejewitsch Tomaschewsky, der aufgrund seiner Versetzung in den Westen als ein aufgehender Stern gehandelt wurde. Denn dahin gingen nur die wirklich fähigen Leute.
     
    Rund vier Kilometer entfernt trat Ed Foley gerade als Erster durch die Tür, gefolgt von seiner Frau Mary Patricia, die den kleinen Eddie an der Hand hielt. Der Junge hatte seine blauen Augen in kindlicher Neugier weit aufgesperrt und war mit seinen viereinhalb Jahren im Begriff zu lernen, dass Moskau nicht zum Disneyland gehörte. Der Kulturschock würde heftig sein, aber immerhin auch seinen Horizont erweitern, dachten seine Eltern. Und nicht zuletzt den eigenen.
    »Huch«, entfuhr es Ed Foley auf den ersten Blick. Vorher hatte hier ein Botschaftsangestellter gewohnt. Immerhin hatte er Ordnung zu schaffen versucht, zweifellos mit Hilfe einer Haushälterin  – die wurden von der sowjetischen Regierung gestellt und legten
sich wirklich ins Zeug … für ihre Chefs. Ed und Mary Pat waren wochen-, nein, monatelang aufs Gründlichste vorbereitet

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