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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
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Laufschritt, Marsch!“ Wir kamen aneinander vorbei. Im Gras am Straßenrand zirpte laut eine Grille. Frühling 1981. Nach ein paar Schritten hielt ich es nicht mehr aus. Ich drehte mich um. Er steht da und guckt mich an. Er kennt mich, Himmelherrgott noch mal! Wo hat er diesen Zivilisten schon mal gesehen? Er erkennt mich nicht. Er kommt nicht drauf. Er dreht sich wieder um und marschiert vornüber gebeugt Richtung Wohnblocks.
    „Zieh, huchno-maa“, ruft Murgy. „Sei dri-hin!“
    „Ja, ja“, antworte ich, „bin ich doch.“
    15 WIR ZERRTEN UNS DIE T-SHIRTS VOM LEIB, BISSEN UNS DIE ZUNGEN RAUS, RENKTEN UNS DIE GELENKE AUS, RIEBEN UNS DIE NERVEN AUF, ABER UNS NÄHER ZU KOMMEN, DAZU WAREN WIR UNFÄHIG. Wie auch, mit zwanzig. Ich habe es auch später nie gelernt. Wer weiß, ob die erste ernste Beziehung nicht ein Präzedenzfall ist, ein Modell, dem der durchschnittliche Hetero dann bis ans Ende seiner Tage folgt. Hafina schränkte sich in dieser Richtung nicht ein und hatte gleichzeitig was mit Terezie. So eine Dreiecksgeschichte. Ein paar Mal brachte sie sie mit nach Louny, Terezie. Ich durfte die Comtesse nicht mal anhauchen, sie war abweisend und weiß und zynisch wie der Tod. Stockfrigide. Mehr Statue als Frau. Die eine Hälfte der Nacht widmete Hafina mir, die andere Hälfte ihr. Der dritte lag im Zimmer nebenan, zerkrümelte
Start
-Zigaretten im Aschenbecher, spitzte die Ohren und biss sich auf die Unterlippe. Wir nahmen immer zwei Zimmer, wenn möglich nebeneinander, wegen des dezenten Wechsels. Ich hatte ja den Verdacht, dass das zwischen ihr und Terezie irgendwie mehr in die Tiefe ging. Mit mir machte sie nie so lange und verbissen rum.
    Lass bleiben und werd normal, du Ziege – morgens beim Frühstück hatte ich oft Lust, ihrer Gottesanbeterin Terezie das zu sagen. Ich tat es aber nicht, denn mir ging langsam auf, dass die Überspanntheit dazugehörte. Dass es vor allem um sie ging. Um drakonischen Mutterstolz, der in der Lage war alles zu zermalmen, was mit ihrem latenten Klon unvereinbar zu sein schien. Mir wurde klar, dass ich hier gar nichts zu mosern hatte. Dass ich nur ein Testopfer war. Ein Kinderspiel, bei dem sie lernten, sich ihre Zähne zu schärfen. Ich will schlafen, ich bin total genervt, durcheinander, du duftest, du stinkst. Ich liebe dich so. Weißt du was, verpiss dich.
    „He-hee! Runter! Chrr-en!“, wiehert mich von irgendwoher der Basecap-Träger an.
    Hafina. Nach der Armee bin ich ihr noch eine Weile hinterhergehechelt. Sie hatte ein Zimmerchen bei einer alten Frau in Prag-Kyje, in einem Ziegelhaus hinter einem verwahrlosten Acker. Vom Zug ging es durch ein Maisfeld voller Raben, der Himmel war niedrig wie eine Betondecke. Wir schwitzten in dem nassen schwarzen Bett, atmeten schwer. Die Bude roch nach Öl und Terpentin. Wir litten beide an künstlerischen Neigungen, dauernd den Skizzenblock unterm Arm. Alles haben wir gleich hin geschmadert und festgehalten. Mit Kohle, Feder, Tempera. Figuren, Köpfe, Kirchtürme, halb leere Gläser, rumliegende Klamotten überall. Mit einer Sachlichkeit, die mich verblüffte, zog sie sich jedes Mal aus und ließ mich machen. Ich sollte versuchen die Kunde von ihrem unersättlichen Körper zu Papier zu bringen. Von der Schwindel erregenden Rundung ihres Rückens. Dazu spielte das
Spirituál Kvintet
Folksongs von der Platte. Zu dieser Zeit war ich frisch versessen auf
The Clash
und
Joy Division
, das konnte nicht lange gutgehen. Ich wusste, dass sie mich bald ausspucken würde, und ich war darauf vorbereitet, ihr das mit einem spöttischen Grinsen zu verzeihen. Die Zukunft lag vor uns wie ein Schwimmbecken voller älterer, erfahrener Lebewesen. Man musste Mut fassen und mitten hineinspringen. Sie sprang, und ich sah zu, wie sie davonschwamm. Was ist das, sagte ich mir, betrifft mich das oder nicht?
    Wo sie wohl steckt? Wahrscheinlich lebt sie noch irgendwo. Ich bin im März fünfzig geworden, in dem Fall ist sie 52.
    Ich rutsche in unsichtbare Senken und fliege wieder aus ihnen heraus wie über ein eingefettetes Blech. Die Luft pfeift vorbei, meine Schuhe flattern vor mir.
    „A-eh, bist’n! Sinken! Komm langsam raus!“, will der Kontrolleur von mir.
    „Ja, ja“, sage ich.
    16 ICH HABE KEINE LUST. Gerne würde ich unter dem Stück Stoff noch weiter bibbern und für die zwei durchgedrehten Typen das ferngesteuerte Segelflugzeug geben. Ich hab riesige Lust bis zu den Bergen zu fliegen, die da im Westen so blau aufragen. Bis über das qualmende

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