Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
hinaus; es war nach der Beute gesprungen wie ein Außenfeldspieler, der einen Homerun runterholt, obwohl er eigentlich schon über dem Zaun des Mittelfelds ist. Und hatte sie bekommen! Energie war in Tak eingeströmt wie Napalm, eine weitere Barriere war gefallen, und es gelangte näher denn je an Seth Garins einzigartiges Zentrum. Tak war noch nicht da - nicht ganz - aber so nahe. Und seine Wahrnehmung hatte sich ebenfalls sprunghaft gesteigert. Es sah den Jungen mit der rauchenden Pistole in der Hand, begriff, was geschehen war, spürte Entsetzen und Schuldgefühle des Jungen und witterte die Möglichkeiten. Ohne nachzudenken - Tak dachte nicht, nicht im eigentlichen Sinne - war es in Jim Reeds Verstand gesprungen. Auf die Entfernung konnte es ihn nicht körperlich kontrollieren, aber sämtliche Sicherungen, die den emotionalen Schutzschild des Jungen aufbauten, waren vorübergehend kurzgeschlossen und hatten ihn Angriffen gegenüber hilflos gemacht. Tak blieb nur eine Sekunde -höchstens zwei -, um einzudringen, sämtliche Skalen auf Maximum zu drehen und den Jungen mit Rückkopplungen zu überladen, aber eine Sekunde hatte ausgereicht.
    Der Junge hätte es vielleicht auch so getan. Schließlich hatte Tak nur Emotionen verstärkt, die ohnehin dagewesen waren.
    Die Energie, die bei Jim Reeds Selbstmord freigesetzt wurde, hatte Tak wie eine Fackel auflodern und sämtliche vereinnahmten Nerven in den roten Bereich schnellen lassen. Frische Energie -junge Energie - strömte ein und verdrängte die gewaltige Menge, die es bislang schon absorbiert hatte. Und nun schwebte er im Türrahmen, summte frisch aufgeladen und war bereit, zu Ende zu bringen, was es angefangen hatte.
    Zuerst essen. Es kam fast um vor Hunger. Tak schwebte halb durch das Wohnzimmer und hielt inne. »Tante Audrey?« rief es mit Seths Stimme. Eine liebliche Stimme, möglicherweise, weil sie so selten benutzt wurde. »Tante Audrey, bist du da?«
    Nein. Anscheinend nicht. Manchmal gelang es Tante Audrey - mit Seths Hilfe - ihre Gedanken abzuschirmen, aber niemals das konstante Pulsieren der bloßen Existenz dieser Gedanken; ihre Präsenz. Die war jetzt verschwunden, aber nur aus dem Haus. Sie konnte bei den anderen sein, wo sie wahrscheinlich auch war, aber weiter war sie nicht gegangen. Weil die Poplar Street inzwischen von der Wüste Nevadas umgeben war ... nur war es nicht das richtige Nevada, mehr ein Nevada des Geistes, das Tak durch seine Vorstellungskraft heraufbeschworen hatte. Natürlich mit Seths Hilfe. Ohne Seth hätte es nichts davon bewerkstelligen können.
    Tak setzte sich wieder in Richtung Küche in Bewegung. Wahrscheinlich war es am besten, daß Tante Audrey gegangen war. Damit würde Seth leichter zu kontrollieren «ein, und es bestand weniger Gefahr, daß er sich in einem entscheidenden Augenblick zu einer Ablenkung entwickelte. Nicht, daß der kleine Bursche überhaupt ein nennenswertes Problem werden konnte; er war mächtig, aber in vielerlei Hinsicht hilflos. Anfangs war es wie ein Armdrücken zwischen gleichstarken Kontrahenten gewesen... aber sie waren nicht wirklich gleich stark. Langfristig ist rohe Kraft richtigem Geschick nie ebenbürtig, und Tak hatte lange Jahrtausende Zeit gehabt, um seine Haken und Kniffe zu verfeinern. Jetzt gewann es langsam aber sicher die Oberhand und setzte Seth Garins außergewöhnliche Kräfte gegen ihn ein wie ein kluger Karatemeister, der es' mit einem kräftigen, aber dummen Gegner zu tun hat. Seth? fragte es, während es zum Kühlschrank schwebte. Seth, wo bist du, Partner?
    Einen Augenblick glaubte es tatsächlich, Seth könnt« fort sein ... aber das war unmöglich. Sie waren inzwischen vollständig miteinander verschmolzen, Partner in einer Beziehung, die so symbiotisch war wie die von an der Wirbelsäule zusammengewachsenen siamesischen Zwillingen. Wenn Seth diesen Körper verließ, würden alle gemeinschaftlichen Systeme - Herz, Lungen, Ausscheidung, Zellbildung, Hirnwellenfunktionen - zusammenbrechen. Tak könnte sie ebensowenig aufrechterhalten wie ein Astronaut die Tausende komplizierter Systeme, die ihn zuerst ins All katapultierten und ihn dann dort in einer stabilen Umgebung hielten. Seth war der Computer, und ohne ihn würde der Anwender sterben. Doch Selbstmord war kein Ausweg für Seth Garin. Tak konnte ihn ebenso davon abhalten, wie es Jim Reed dazu gezwungen hatte. Und es spürte, daß Seth nicht Selbstmord begehen wollte. Ein Teil von Seth wollte Tak nicht einmal loswerden.

Weitere Kostenlose Bücher