Regulator: Roman
Papierkram aufzuarbeiten gehabt hätte. Wer glaubt, die Arbeit eines Bergbauingenieurs sei aufregend und abwechslungsreich, sollte mal die Tonnen von Berichten und Formularen sehen, durch die ich mich im Lauf der Jahre hindurchackern mußte!
Wie auch immer, ich wollte gerade Feierabend machen, als ein Volvo-Kombi vor dem Gebäude anhielt und eine ganze Familie ausstieg. Ich möchte hier betonen, daß ich in meinem ganzen Leben noch nie so aufgeregte Menschen gesehen habe, die nicht in den Zirkus gegangen sind. Sie sahen aus wie die Leute in Fernsehwerbespots, die gerade das große Los der Woche gezogen haben! Sie waren zu fünft: Dad (das muß der Bruder der Frau aus Ohio gewesen sein) , Mom, großer Bruder, große Schwester, kleiner Bruder. K. B. schien etwa vier zu sein, aber nachdem ich den Brief von Mrs. Wyler gelesen habe (der im Juli dieses Jahres abgeschickt wurde) , weiß ich jetzt, daß er etwas älter war und nur klein für sein Alter. Wie auch immer, ich sah ihre Ankunft durch das
Fenster am Schreibtisch, wo ich meine sämtlichen Papiere ausgebreitet hatte. Klar und deutlich sah ich sie. Sie standen eine oder zwei Minuten um ihr Auto herum und zeigten auf den Wall südlich der Stadt, so aufgeregt wie Hühner bei einem Gewitter, und dann zog der kleine Bursche seinen Dad zu unserer Bürobaracke. Das alles spielte sich im HQ von Deep Earth-in Nevada ab, einem doppelten Wohnwagen, der etwa zwei Meilen abseits der Hauptstraße (Highway 50) am Stadtrand von Desperation steht, einer Stadt, die zur Zeit des Bürgerkriegs wegen ihrer Silbervorkommen berühmt war. Heutzutage wird vorwiegend in der China-Grube geschürft, wo wir im nassen Verfahren Kupfer gewinnen. Raubbau nennen es die »Grünen«, aber es ist wirklich nicht so schlimm, wie sie es gerne hinstellen.
Jedenfalls zog der kleine Bruder seinen Daddy die Stufen des Wohnwagens hinauf, und ich hörte ihn sagen: »Klopf, Daddy, es ist jemand zu Hause, das weiß ich.« Dad sah unglaublich überrascht aus, obwohl ich mir den Grund nicht erklären kann, da mein Auto direkt davor parkte, »in voller Lebensgröße«. Bald fand ich heraus, daß es nicht darum ging, was der kleine Kerl sagte, sondern daß er überhaupt etwas sagte! Vater drehte sich zum Rest seines Klans um, und alle sagten dasselbe, klopf an die Tür, klopf an die Tür, geh und klopf an die Tür! Völlig aufgeregt. Und irgendwie komisch und niedlich. Ich war neugierig, das gebe ich offen zu. Ich sah ihr Nummernschild und konnte mir nicht erklären, was eine Familie aus Ohio an einem Sonntagnachmittag so weit hier draußen in Desperation zu suchen hatte. Wenn Dad nicht den Mut aufgebracht hätte, zu klopfen, wäre ich selbst hinausgegangen und hätte ihn begrüßt. Sie wissen ja, was ich nicht weiß, macht mich heiß!
Aber er klopfte tatsächlich, und kaum hatte ich die Tür aufgemacht, lief der kleine Kerl an mir vorbei hinein! Er ging an dasselbe Schwarze Brett, an dem Sally den Brief von Mrs. Wyler festgesteckt hatte, als er hier ankam, mit dem großen roten Vermerk KANN JEMAND DIESER FRAU HELFEN? versehen.
Der kleine Kerl studierte die Luftbilder der China-Grube, die wir am Schwarzen Brett festgesteckt hatten, eines nach dem anderen. Vielleicht hätte man dabeisein müssen, um zu begreifen, wie seltsam es war, aber Sie können es mir getrost glauben. Als wäre der Junge schon ein Dutzend Mal in dem Büro gewesen.
»Da ist sie, Daddy!« sagte er und klopfte auf die Bilder. »Da ist sie! Da ist sie! Da ist die Mine, die Silbermine!«
»Nun«, sagte ich lachend, »eigentlich ist es Kupfer, mein Junge, aber ich würde sagen, das lassen wir gelten.«
Mr. Garin sah mich mit rotem Kopf an und sagte: »Entschuldigen Sie, wir wollten nicht reinplatzen.« Dann platzte er selbst rein und hob seinen kleinen Jungen hoch. Ich war irgendwie amüsiert. Konnte nicht anders. Er trug den Kerl zur Treppe zurück, wo sie alle seiner Meinung nach offenbar hingehörten. Da sie aus Ohio kamen, schienen sie nicht zu wissen, daß wir hier in Nevada es überwiegend als selbstverständlich ansehen, daß jemand reinplatzt. Der Kerl trat nicht um sich oder bekam einen Wutanfall, aber er ließ die Fotos am Schwarzen Brett nicht aus den Augen. Er sah so süß wie ein Indianerbaby aus, wie er mit seinen strahlenden kleinen Augen über Daddys Schulter sah. Der Rest der Familie drängte sich unten und sah mit großen Augen herauf. Die größeren Kinder platzten fast vor Aufregung, und Mom schien ihre Empfindungen
Weitere Kostenlose Bücher