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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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warf einen Blick auf die Uhr.
    Meine Mutter fragte seufzend: »Hast du nicht Angst, dein Flugzeug zu verpassen?« Er schenkte sich etwas zu trinken ein. Ich nutzte die Gelegen heit, um zu sehen, was auf den anderen Kanälen lief, aber sie riß mir die Fernbedienung aus der Hand und sagte: »He, jetzt reicht's aber!« Dabei hatte ich gar nichts getan.
    Mein Vater sagte: »Das ist kein Grund, deine Wut an dem Jungen auszulassen. Fang nicht damit an.«
    Daraufhin schrie meine Mutter mit drohender S timme und funkensprühenden Augen: »Sag mal, was geht dich das an? Hm, was geht dich das eigentlich an? Das würde ich doch gern mal wissen!«
    Er leerte sein Glas in einem Zug. Aber sie ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Sag mal, hast du vielleicht etwas daran auszusetzen, wie ich mein Kind erziehe, hm?«
    Die Schultern meines Vaters sackten herab. Er bohrte sich die Finger in die Augenhöhlen. Es war offensichtlich, daß er einen harten Tag hinter sich hatte. Das konnte man spüren, seinem Gesicht an sehen. »Ich dachte, wir hätten uns geeinigt, dar über nicht in seinem Beisein zu sprechen«, stöhnte
    er.
    Aber sie war da inzwischen anderer Meinung. Das habe sich jetzt geändert. So sei das nun mal.
    Das müsse er ihr überlassen, stieß sie zwischen den Zähnen hervor, er müsse ihr überlassen, was in mei ner Gegenwart zu tun oder nicht zu tun sei. Das habe sie allein zu entscheiden. Hast du das verstanden? Was man in meinem Beisein sagen oder nicht sagen könne, das sei ihre Angelegenheit.
    Mein Vater lachte höhnisch: »Sonst noch was?« Und plötzlich warf er sein leeres Glas durchs offe ne Fenster, und man hörte, wie es weiter hinten auf der Fahrbahn zerschellte. Dann warf er noch ein paar andere hinterher, um seine Nerven zu beru higen, nehme ich an. Man hörte, wie sie draußen in der Stille zersplitterten, woraus ich schloß, daß sich der Wind wohl gelegt hatte.
    Meine Mutter versicherte, er könne ruhig alles kurz und klein schlagen, damit wir all den Dreck hier endlich los würden. »Ich hab die Nase so voll«, fügte sie hinzu.
    Kurz darauf tauchte die Nachbarin vor dem Fen s te r auf.
    »Sag mal«, fauchte sie meinen Vater an, »was ist denn mit dir los? Die Scherben sind bis vor meine Tür geflogen. Du hast sie wohl nicht mehr alle!« Zugleich warf sie einen Blick auf meine Mu tt er, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei.
    Mein Vater knallte ihr das Fenster vor der Nase
    zu.
    Meine Mutter stand auf und öffnete es wieder. Luft! Luft! Sie brauche mehr Luft. Sonst platze ihr der Kopf, meinte sie.
    Mein Vater sagte zu ihr: »Sag mal, du kriegst wohl Zustände, hm?«
    Dann schauten sie plötzlich mich an, denn ich pißte mir gerade in die Hose.
    Ich stützte mich auf die Schultern meiner Mutter, während sie mir die Hose auszog. Dann hielt sie das Scheißding weit von sich, als handle es sich um ein überfahrenes Tier, ehe sie die Hose in die Waschmaschine steckte. Und dann der Gipfel der Peinlichkeit, als sie mir mit einem langen Seufzer die Unterhose auszog.
    Von der Türschwelle aus sah mein Vater mit trübem Blick dem Schauspiel zu. Plötzlich hatte nie mand mehr etwas zu sagen. Es stank fürchterlich nach Pisse, fand ich, das konnte man bestimmt kilometerweit riechen, schlimmer, als hätte ich Spargel gegessen, so ein richtiger Babygeruch, es war nicht auszuhalten. Ich hätte mir am liebsten die Kapuze meines Trainingsanzugs über den Kopf gezo gen.
    Ich seifte mich ab, während sie den Strahl der Dusche auf mich richtete. Mit erschöpfter Miene, die Ellbogen auf den Rand der Badewanne gestützt, begoß sie zerstreut meine Füße mit zu heißem Wasser, aber ich hatte keine Lust aufzumucken.
    In der Zwischenzeit hatte mein Vater das Weite gesucht.
    Als wir zu ihm gingen, war er gerade über seine Reisetasche gebeugt und schloß sie jäh. Inzwi schen war es Nacht geworden. Im Garten glitzerte das Mondlicht. Es war wohl schon spät, und er mußte zum Flughafen. Ich setzte mich auf den erstbesten Stuhl, während er ihr einen dicken Umschlag hinhielt. Doch er blieb mit ausgestrecktem Arm wie ein Idiot da stehen, weil sie keinen Blick darauf warf, sondern nach ihren Zigaretten suchte, die sie irgendwo hatte liegenlassen.
    Mein Vater ließ den Umschlag auf den Tisch fal len und sagte: »Bedank dich nicht. Bedank dich b it te nicht.«
    Meine Mutter kniff die Augen zu, während sie eine blaue Rauchwolke ausstieß. Mit der Zigarette zwischen den Fingerspitzen machte sie eine Geste, die alles besagen konnte. "Hast

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