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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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noch einen Blick: Ihr Handy war verschwunden, wahrscheinlich in der großen Lederhandtasche neben ihren Füßen, dafür tippte sie hektisch auf der Tastatur eines teuer aussehenden Laptops. Ihre sonnengebräunten Beine unter dem weißen Plastiktisch brachten kurz Jacobsons Glauben ins Schwanken, wahre Perfektion sei in der Menschenwelt nur als Näherungswertmöglich. Verlegen tat er so, als läse er die Schlagzeilen des biergetränkten ›Guardian‹, den ein früherer Gast auf dem Tisch zurückgelassen hatte. Als er wieder aufsah, war sie weg, und er sagte sich, dass es auch für ihn Zeit wurde.
     
    Chivers, der oberste Detective Crowbys, wurde nach langen Dienstjahren pensioniert; bis zu seiner kleinen Abschiedsparty waren es nur mehr sieben Tage. Jacobson schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Besprechungszimmer, bevor der Alte die Stimme erhob. Links von Chivers saß Greg Salter, sein Nachfolger, die Arme vor der Brust verschränkt. Jacobson ließ sich auf den leeren Stuhl neben ihm sinken.
    Der Chief erhob sich abrupt von seinem Platz.
    »Unsere Losung für das neue Zeitalter muss die des alten sein: Recht und Ordnung!« Chivers machte eine Pause und wiederholte sein Mantra gleich noch einmal: »Recht und Ordnung! Wenn Sie nicht deswegen zu uns gekommen sind und wenn Sie nicht deswegen immer noch bei uns sind,
gehen Sie jetzt.
Und wenn Sie Ihre persönlichen Gefühle nicht Ihrer Pflicht unterordnen können,
dann gehen Sie bitte ebenfalls.
«
    Eine zweite Pause, eine zweite Wiederholung: Chivers’ Blick schweifte über die Gesichter im Raum.
    »Das Gericht hat verfügt, dass Robert Johnson vorzeitig auf Bewährung entlassen wird. Sein Wunsch, in diese Stadt zurückzukehren, ist ein
legaler
Wunsch. Es wird in Crowby keine Selbstjustiz gegen ihn geben. Robert Johnson wird sich an ein freiwilliges Ausgangsverbot halten und er wird rund um die Uhr überwacht werden.«
    Chivers hielt zum dritten Mal inne. Jacobson sah sichum, ob nicht jemand protestierte oder wenigstens stöhnte, aber es herrschte nur unbehagliches Schweigen. Seine Kollegen bissen sich auf die Zunge und pressten die Lippen zusammen. Greg Salter machte den Wackeldackel und nickte unablässig. Chivers nutzte das Schweigen, solange es anhielt.
    »Unsere uniformierten Kollegen haben einen Notfallplan erarbeitet, falls es zu öffentlichen Störungen kommen sollte. Wie Ihnen Frank Jacobson gleich erläutern wird, besteht unsere Rolle als Hüter der Ordnung in diskreter Überwachung. Das betrifft zunächst einmal Johnson selbst, aber natürlich auch jene Bürger, denen entfallen ist, dass es Unserem Herrn allein zusteht zu vergelten.«
    Jacobson stellte die Überwachungsregelungen ausführlich vor: Johnson würde mindestens einen Monat lang rund um die Uhr beobachtet werden, und die, die am lautesten gegen ihn gewettert hatten, hauptsächlich die Familien der Opfer, sollten ebenfalls regelmäßig überprüft werden. Bevor er sich wieder setzte, erläuterte Jacobson noch kurz seine persönliche Meinung zu dem von Chivers so unmissverständlich dargelegten offiziellen Standpunkt.
    »Es ist ’ne echte Hiobsbotschaft, dass der Dreckskerl zurück nach Crowby kommt. Keiner bedauert das mehr als ich. Aber wir werden professionell darauf reagieren und unseren Job gut machen. Solange sich Johnson in unserer Stadt aufhält, haben wir dafür zu sorgen, dass er sich an die Regeln hält und nicht mal ein Stück Papier wegwirft oder bei Rot die Straße überquert.«
    Nach der Besprechung sprach Greg Salter Jacobson vor dem Aufzug an.
    »Gut gebellt, Frank, wenn ich das so sagen darf. Siehaben damit mehr zur Beruhigung der Truppe beigetragen als der große Meister selbst, wenn Sie mich fragen.«
    Sag, was du willst, dachte Jacobson. Trifft mich zum ersten Mal und spricht mich gleich mit dem Vornamen an. Salter hatte seinen Dienst während Jacobsons Frankreichurlaub angetreten und war Chivers während der letzten zwei Wochen offenbar nicht von der Seite gewichen.
    »Danke,
Greg
«, sagte Jacobson und schaffte es irgendwie, eine unbewegte Miene zu bewahren. Acht Leute standen in dem Aufzug, der für sechs ausgelegt war. Jacobson war sicher kein Riese, aber Salters kahl werdender Kopf reichte ihm kaum bis zur Schulter.
    »Ich habe für nächsten Sonntag ein paar wichtige Leute zum Essen eingeladen. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch kämen, Frank. Meine Frau ist eine ausgezeichnete Köchin, wenn ich das so sagen darf.«
    Sag, was du willst.
    »Es wäre schön, wenn

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