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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hatte. In die Stadt, in der seine Opfer ihre zerstörten Leben fristeten.
    Jacobson stand unter der Anzeigetafel und staunte nicht schlecht, als hinten aus der Halle die Frau aus dem »Brewer’s Rest« auf ihn zustürmte, die Frau mit den langen Beinen, lächelnd, charmant. Er reckte das Kreuz, völlig baff, sah ihr entgegen, und dann schnell auf seinen Pager, als erwartete er eine Nachricht. Als sei er allein deswegen hier   ... und schon schwebte sie an ihm vorbei. Aus dem Wirrwarr der Pendler heraus verfolgte er, wie sie zwei Männer begrüßte, einer jung, einer alt, beide in Lederjacken, trotz der Hitze, und beide mit Kameras behängt.
     
    Mit schwerem Kopf schleppte sich Jenny Mortimer aus dem Schlafzimmer in die Einbauküche aus Mahagoni. Auf dem riesigen Gettoblaster auf der Frühstückstheke schaltete sie launisch zwischen Classic FM, Radio Four und ihrer Billie-Holiday-CD hin und her, ohne etwas zu finden, was sie auf andere Gedanken gebracht hätte. Sie war zu nüchtern, um an etwas anderes als Kevins dumme Frist zu denken.
Sag’s ihm, Jenny, sag’s ihm, bevor ich zurückkomme. Wenn du es nicht tust, werde ich es ihm sagen.
    Sie nahm das Bild aus der Tasche ihres Morgenmantels, das einzige Standfoto aus dem Film, der unablässig in ihrem Kopf ablief. Wieder betrachtete sie seinenschlanken, gebräunten Körper, seine abgeschnittene Jeans, das Sonnenlicht, das sich in seinen Augen fing, sein Lächeln. Komisch, sie hatte bislang immer gedacht, nur Männer würden vom bloßen Aussehen angeturnt.
    Sie goss sich eine Tasse Pulverkaffee auf, weil sie für das Theater mit der Espressomaschine nicht den Nerv hatte, und versuchte es noch einmal mit Radio Four, aber da kam nur das blöde Piepen der Drei-Uhr-Nachrichten. Heute war der Tag, den sie gefürchtet hatte, der Tag, an dem sich ihre Entscheidung nicht länger hinausschieben ließ, und er war schon mehr als zur Hälfte vorbei. Sie hob die Tasse an die Lippen, aber der Kaffee war noch zu heiß. Das Telefon klingelte. Sie nahm nicht ab. Gus Mortimers Stimme auf dem Anrufbeantworter klang schroff, selbstsicher und kalt wie die Arktis. Er fragte seine Frau nicht wegen des Sommerfests bei den Trayners, er instruierte sie.
    »Sie erwarten uns um acht, Jen.«
    Was er meinte, war das, was er immer meinte: Sei da, Jen. Spiel mit, befolge die Regeln. Die Finger fest um den Kaffeebecher gelegt, spürte sie das erste Angstschaudern des Tages.
Reiß dich zusammen. Du darfst jetzt auf keinen Fall in Panik geraten. Du musst klar denken.
Sie trank ihren Kaffee und zwang sich, zwei Scheiben Vollkorntoast mit Marmelade zu essen. Dann räumte sie auf, duschte und zog sich an. Als sie den eisblauen Jaguar aus der Garage auf den fein geharkten Kies der sanft geschwungenen Auffahrt setzte, erfasste sie eine neue Angstwelle.
    Sie stellte den Motor ab und saß ein paar Minuten nur so da. Es hatte eh keinen Sinn, einfach loszufahren, ohne Ziel, nur um des Fahrens willen. Nicht, wenn ihr das Blut so hinter der Ray-Ban pochte. Sie presste den Kopfgegen das weiche Leder der Kopfstütze und versuchte es mit einer der Atemübungen, die sie vorletzten Sommer auf Skyros gelernt hatte. Das Schlimmste war das Wissen, dass Kevin sie gezielt in diese Höllenecke gedrängt hatte, in eine Konfrontation, die sie nicht wollte und nicht brauchte. Es war ihm nicht genug, dass sie ihn liebte, dass jede Faser ihres Körpers ihm und nur ihm gehörte. Kevin war nicht Gus, aber doch ein Mann, und Männer mussten ihren Besitz öffentlich zeigen können. Sie schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippe. Endlich ließ sie den Motor wieder an, trat das Gas durch und gab dem Wagen rücksichtslos die Sporen.
    Zehn Minuten später stieg Jenny den schmalen Pfad hinauf zum Gipfel des Crow Hill. Links unter ihr lag die Lichtung, auf der sie geparkt hatte. Weiter oben und um sie herum wuchs dünnes, dürres Gras, und am perfekten Sommerhimmel über ihr trieben weiße Wattewolken. Wenn die Landschaft rund um Crowby irgendwo reizvoll war, dann hier. Bei Tag hatte man die ganze Stadt im Blick, bis zur Autobahn hinüber. Nachts glitzerten die Lichter Crowbys unter einem wie im Film und ließen die Stadt größer aussehen und auch irgendwie wichtiger. Schon als Kind war sie mit der Familie zum Picknicken hergekommen, und später dann mit Gus nach dem Dunkelwerden. Als sie ihn gerade kennengelernt hatte. Damals, als er noch mit seiner ersten Frau zusammen gewesen war.
    Eine indische oder bengalische Familie auf

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