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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dem Weg nach unten nickte ihr höflich zu. Der Sari der Frau war grellorange. Die Augen ihres kleinen Sohnes leuchteten groß und freundlich, wie schwarz glänzende Untertassen. Jenny sah den dreien nach, wie sie sorglos den Pfad hinunterliefen. Sie nahm das Handy von einer Hand indie andere und überlegte, ob sie Gus gleich jetzt anrufen und ihm ohne Umschweife sagen sollte, wie es um sie stand.
Gus, ich schlafe mit dem Mann, der uns den Garten macht, und ich werde zu ihm ziehen.
Gott! Er würde explodieren   ... und wahrscheinlich auf sie losgehen, sobald er sie zu fassen bekam. Vielleicht würde er ihr ernsthaft wehtun. Aber dann war es wenigstens vorbei. Dann lag alles auf dem Tisch, und Gus konnte die Scheidung einreichen, die, wie sie beide wussten, längst überfällig war.
    Es war nicht so, dass sie damit rechnete, die Sache mit Kevin wäre von Dauer. Kevin war zehn Jahre jünger als sie, und eines Tages würde er aufwachen und feststellen, dass ihre Brüste nicht mehr so fest waren und ihr Bauch nicht so flach wie früher. Oder sie wachte auf, und ihr Verlangen nach ihm war gestillt und ihr Interesse an seiner jugendlichen Leidenschaft für Getreidekreise, Verschwörungstheorien und Entführungen durch Aliens verflogen. Sicher, das würde schlimm werden. Am schlimmsten jedoch war dieser Tag heute, der Tag morgen. Der einzige Trost lag darin, dass der Anfang des Endes in Sicht kam. In sechs Monaten, einem Jahr konnte sie sonstwo sein, ein völlig anderes Leben führen. Vielleicht nahm sie wieder einen Job an und verdiente selbst ihren Lebensunterhalt. Dieser Gedanke kam fast wie ein Schock, wie ein erregender Schock. Als wäre sie eine Gefangene, die plötzlich feststellte, dass die Zellentür offen stand und die Wärter geflohen waren. Sie sah hinunter auf Crowby. Die Autos krochen glänzenden Käfern gleich durch die verstopften Straßen. Es war eigentlich ein Unding, dass Gus am Ende juristisch als der Verlassene dastehen und nach all seinen Büroaffären und Bettgeschichten den Löwenanteil »seines Geldes«behalten würde. Aber es war lange her, dass sie geglaubt hatte, das Leben sei fair.
    Sie holte ihre letzte Marlboro Light aus der Handtasche und merkte, wie sehr ihre Hände zitterten. Zwei schlaksige Jugendliche kamen vorbeigeschlendert und reichten kaum versteckt einen Joint hin und her. Sie griff wieder nach ihrem Handy   ... steckte es aber gleich darauf zurück in die Tasche. Gut, es war so weit, heute war der Tag. Aber erst später und von Angesicht zu Angesicht, nicht übers Telefon. Irgendwann musste sie es ihm ohnehin sagen, sie konnten nicht ewig so weitermachen. Sie zündete sich die Zigarette an, und ihre Hände waren bereits etwas ruhiger. Kevin hatte mit seinem Drängen lediglich bewirkt, dass sie die Reißleine, die sie längst in der Hand hielt, etwas früher zog.
     
    Nach seinem Anruf zu Hause war Gus Mortimer in sein Vorzimmer gegangen, weil er sehen wollte, wie sich die kleine Faith vom Computer wegdrehte, um seine Instruktionen entgegenzunehmen.
    Angie, seine eigentliche Sekretärin, war bei ihrem jährlichen Fickfest auf Ibiza, und fast wünschte er, er hätte ihr die extra Woche Urlaub gegeben, die sie hatte haben wollen. Das Seltsame dabei war, dass ihre Vertretung so gar nicht seinen gewohnten Rekrutierungskriterien entsprach. Natürlich konnte sie den Computer bedienen und telefonieren. Im Allgemeinen suchte Gus aber jenseits dieser Minimalanforderungen nach anderen Qualitäten. Angie beispielsweise war das klassische Büromöbel: blond, langbeinig, mit ansehnlicher Brustweite und einer Art, die dir sagte, dass deine Chancen nicht schlecht standen. Faith dagegen vermittelte den Eindruck, ihre Doc Martens seien ständig auf jedes PaarEier gerichtet, das sich in Trittweite ihrer langen, dünnen Beine befand. Er konnte nicht wirklich sagen, warum er sie nicht gleich zurück zu ihrer Agentur geschickt hatte. Nein, sie sah nicht unbedingt schlecht aus, passte aber ganz sicher nicht in sein Beuteschema. Sie war groß und blass, mit langem, glattem, pechschwarz gefärbtem Haar. Vor Jahren hätte man so was eine »Goth« genannt, vielleicht tat man es ja immer noch.
    Sie arbeitete nicht schlecht, vielleicht sogar besser als Angie. Aber das war unwichtig. Kompetenz war nicht die Frage. Wenn er eine nicht um sich haben mochte, wenn ihm ihr Gesicht oder der schlechte Atem nicht gefielen oder, wie in diesem Fall, die Grundhaltung nicht stimmte, dann war es ihm egal, wie gut sie ihren

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