Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
sie nicht eindringlich gebeten, ihnen stets voller Respekt zu begegnen?
»Ich behandle Untergebene stets mit Respekt«, hatte Rebecca ihr bei dieser Gelegenheit in Erinnerung gerufen.
»Das weiß ich doch, mein Liebes. Ich möchte lediglich sichergehen, dass du nicht ausgerechnet jetzt damit beginnst, dich auf ein hohes Ross zu setzen. «
Das war nur eines der vielen törichten Dinge, die Lilly vor lauter Erschöpfung wegen der kräftezehrenden Vorbereitungen für Rebeccas neues Leben von sich gegeben hatte. Selbst nach einer Mütze Schlaf hatte ihre Mutter das Thema am nächsten Tag gleich noch einmal angeschnitten.
»Wenn es dir gelingt, dir die Gunst der Bediensteten zu sichern, kann sich das unter Umständen als sehr hilfreich erweisen. Einige von ihnen handeln mit brisanten Informationen. Und wenn sie dir wohlgesinnt sind, wird es ihnen eine Freude sein, dich daran teilhaben zu lassen. «
Die Worte ihrer Mutter beherzigend, schenkte sie dem Bediensteten ein Lächeln und sagte: »Herzlichen Dank... «
»John Keets, Mylady. «
»Danke, John. Es tut gut, zu wissen, dass mein Vater in guter Erinnerung geblieben ist. «
Der junge gertenschlanke Mann, der einen stoischen Gesichtsausdruck wahrte, wenn er nicht sprach, nickte. Verzückt warf die schwarzhaarige Flora, die schon so manchem Mann den Kopf verdreht hatte, dem Pagen bewundernde Blicke zu.
Vor nunmehr sechs Jahren war Flora in den Dienst der Marshalls getreten. Obwohl sie noch verhältnismäßig jung war, war sie eine Meisterin ihres Metiers, hatte das Rüstzeug von ihrer Mutter erlernt, die ebenfalls als Magd gearbeitet hatte. Rebecca war froh, nicht auf Floras begnadete Frisierkünste verzichten zu müssen.
Als John Floras Blicke bemerkte, schlich sich ein sinnliches Funkeln in seine Augen. Im selben Moment erreichten sie das Ende des Korridors, John bog nach rechts ab und öffnete die erste Tür auf der linken Seite.
»Eure Kleidertruhen werden in Bälde hergebracht«, ließ er sie wissen, als er die beiden in das kleine Gemach führte. »Und wieder abgeholt, sobald sie ausgepackt sind. Ihr werdet hier gemeinsam mit Lady Elizabeth Marly wohnen. Bedauerlicherweise ist die Königin sich nicht darüber im Klaren, dass Lady Elizabeth eine ziemliche Unruhestifterin ist. Es wäre ratsam, keine zu enge Bindung zu dieser Dame aufzubauen. «
Rebecca war verdutzt. Was meinte er damit, dass ihre Mitbewohnerin eine Unruhestifterin wäre?
Floras Gedanken schienen in dieselbe Richtung zu gehen. Kaum war die Tür hinter John ins Schloss gefallen, fragte sie: »Klingt höchst ominös, findet Ihr nicht auch? «
Rebecca nickte, wehrte sich aber dagegen, voreilige Schlüsse zu ziehen. »Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass sie Dinge in Gang setzt, die aber nicht per se von schlimmer Natur sind, sondern lediglich am falschen Ort zur falschen Zeit geschehen. « Als sie Floras zweifelnden Blick auffing, setzte sie rasch hinzu: »Sobald ich diese Elizabeth näher kennengelemt habe, kann ich mir ein besseres Bild von ihr machen. «
Mit einem Schnauben wechselte Flora das Thema. »Dieses Zimmer ist viel kleiner, als ich es mir vorgestellt habe. Es ist ja kaum größer als Euer Ankleidezimmer zu Hause. «
Die Verachtung, die sich in Floras Stimme mischte, trieb Rebecca ein Schmunzeln auf die Lippen. Das Gemach war natürlich größer als ihr Ankleidezimmer, jedoch um einiges kleiner als ihr Schlafgemach.
»Ich gehe ohnehin nicht davon aus, dass wir sonderlich viel Zeit hier verbringen werden. Der Raum dient lediglich dazu, hier zu schlafen und sich umzuziehen«, antwortete Rebecca.
»Was ganz schön eng werden dürfte. «
Damit hatte die Magd nicht ganz unrecht. Sonderlich viel Bewegungsfreiheit ließ die Einrichtung nicht zu. Ein Doppelbett, das eher an eine breite Pritsche erinnerte, nahm den meisten Raum ein. Hinzu kamen zwei schmale Nachttischchen, auf denen jeweils eine Lampe stand. Einen Kamin gab es nicht, dafür eine Kohlenpfanne, die allerdings frühestens in einem Monat zum Einsatz kommen würde. In einer der Ecken, hinter einer spanischen Wand, befand sich eine kleine Badewanne sowie eine Kommode, auf der Rebecca eine Waschschüssel und einen Stapel Handtücher entdeckte. In der anderen Ecke stand ein winziger runder Tisch, auf den gerade einmal ein einziges Essenstablett passte. Außer einem Schemel bot das Zimmer keine weitere Sitzgelegenheit. Blickfang des Gemachs bildeten jedoch die zahlreichen Kleiderschränke, die sich über zweieinhalb
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