Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
herrichten müsst, weil aus heiterem Himmel eine Festivität ausgerichtet wird. Ihr tätet also besser daran, stets auf alles vorbereitet zu sein. «
Das klingt plausibel, dachte Rebecca, wenngleich ihr nicht einleuchtete, warum eine Gewitterziege wie Elizabeth ausgerechnet ihr einen Ratschlag gab.
»Wie wäre es, wenn Ihr die von Euch eigenmächtig veranlassten Veränderungen wiedergutmacht, indem Ihr Eure Magd anweist, sich meines Haars anzunehmen? Im Moment kümmert Lady Janes Magd sich um meine Lockenpracht, aber Ihr glaubt nicht, wie lästig es ist, dafür stets an das andere Ende des Palastes laufen zu müssen. «
Rebecca hätte wissen müssen, dass Elizabeth nichts ohne Gegenleistung tat.
»Ich glaube kaum, dass Flora mit der zusätzlichen Arbeit einverstanden sein wird«, erwiderte sie.
Doch so schnell wollte Elizabeth sich nicht geschlagen geben. »Als ob diese Flora das Recht auf eine eigene Meinung hätte! Schließlich steht sie in Eurem Dienst, ist angehalten, Euren Anweisungen Folge zu leisten. «
»Flora ist nicht meine Magd, sie dient auch meiner Mutter. Wie wäre es, wenn Ihr Euch an sie wendet, um die Sache zu klären? «
Als Reaktion auf Rebeccas Worte schnitt Elizabeth eine Grimasse. »Vergesst es! Ich werde schon irgendwie klarkommen, wie immer. «
Rebecca schüttelte ungläubig das Haupt. Wäre Elizabeth eine Spur freundlicher gewesen, hätte sie Flora die Entscheidung anheimgestellt und der Magd die eine oder andere Münze als Entschädigung für die zusätzliche Arbeit zugesteckt.
Um sich weitere bissige Kommentare ihrer liebreizenden Zimmerkameradin zu ersparen, suchte Rebecca kurzerhand ihren dicksten Unterrock heraus und befestigte ihn zwischen dem Fenster und den Schränken.
»Wart Ihr eigentlich umsichtig genug, ein Kostüm mitzubringen? «, fragte Elizabeth beifällig. »Drina hat einen Maskenball für heute Abend einberufen. «
»Drina? «
»Die Königin, Ihr dummes Ding! «
Ein verzeihlicher Fehler seitens Rebecca, da nur Mitglieder der königlichen Familie Königin Victoria mit ihrem alten Spitznamen anredeten. Und da es eher unwahrscheinlich war, dass Rebecca sich mit einem Familienmitglied des Königshauses ein Gemach teilte, hatte sie auch niemanden von Rang beleidigt.
Doch zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, ihre Mutter hätte sie nach traditionelleren Methoden erzogen. Wäre ihr Vater nicht so früh verstorben, hätte sie vermutlich eine Erziehung genossen, die mehr der von jungen Mädchen heutzutage glich.
Selbstredend hatte Lilly Wert darauf gelegt, eine tugendhafte und pflichtbewusste junge Dame heranzuziehen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Rebecca mit ihren achtzehn Lenzen noch nie einen Mann geküsst hatte. Lillys Ziel war stets gewesen, aus Rebecca eine pflichtbewusste Gemahlin zu machen. Eines Tages, als Lilly sie für alt genug gehalten hatte, hatte sie ihre Tochter zur Seite genommen und erklärt: »Wir Frauen tun am besten daran, mit unserem Intellekt - vorausgesetzt, wir sind damit gesegnet - hinter dem Berg zu halten. Präg dir meine Worte gut ein! Wenn du angehalten bist, dich dumm zu stellen, dann tu genau das. Bedauerlicherweise erwarten die meisten Männer unseres Standes genau das von ihrer Gemahlin. Aber wer weiß, vielleicht ist Fortuna dir hold, und du gerätst an einen Mann, der anders denkt, der Freude an anregenden Unterhaltungen hat. Falls nicht, sei umsichtig genug, die Einfältige zu mimen! «
Es vergingen einige Momente, ehe der Groschen fiel und Rebecca kreidebleich fragte: »Seid Ihr etwa mit der Königin verwandt? «
»Wie kommt Ihr denn darauf? «, kam prompt die unterkühlte Antwort.
Erst jetzt dämmerte Rebecca, dass Elizabeth ihr vor Augen führen wollte, dass sie so gut wie nichts über das Leben am Hofe wusste. Sie machte sich einen Spaß daraus, Rebecca aufzuziehen und zu verunsichern.
Erleichtert darüber, sich nicht mit einem Mitglied der königlichen Familie angelegt zu haben, und zugleich verstimmt über Elizabeths Verhalten, sagte Rebecca mit frostiger Stimme: »Von einem Maskenball weiß ich gar nichts. «
»Das könnte der Tatsache geschuldet sein, dass Ihr noch nicht lange hier seid. «
Dieser Punkt ging an Elizabeth, aber Rebecca war sich sicher, dass ihre Anwesenheit dort aus ebendiesem Grunde nicht erforderlich war. Immerhin war sie erst vor wenigen Stunden eingetroffen und musste sich erst noch akklimatisieren.
»Bleibt nur zu hoffen, dass Ihr mehr als nur ein Kostüm im Gepäck habt.
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