Reise durch die Sonnenwelt
Rasch näherte man sich dem Ufer, als plötzlich ein Aufschrei durch die Luft drang, der von Ben-Zouf herrührte.
Alle hielten ein, indem sie die Eisen tief in’s Eis einschneiden ließen.
Da, beim Scheine der Fackeln, welche schon nahe am Verlöschen waren, sah man, daß Ben-Zouf die Arme gegen das Ufer ausstreckte.
Von den Lippen Aller ertönte ein Schrei, der dem Ben-Zouf’s zu antworten schien.
Der Vulkan war urplötzlich erloschen. Kein Lavastrom wälzte sich mehr von dem obersten Gipfel herab. Es schien, als habe ein mächtiger Windstoß die Flamme des Kraters erstickt.
Alle begriffen, daß die Quelle des Feuers versiecht sein müsse. War die Auswurfsmasse zu Ende gegangen? Sollte Warm-Land von nun an für immer die belebende Wärme fehlen und sich keine Möglichkeit bieten, der Strenge des Gallia-Winters zu entgehen?
Drohte ihnen nun der Tod, der entsetzliche Tod des Erfrierens?
»Vorwärts!« rief Kapitän Servadac mit befehlender Stimme.
Eben verloschen die Fackeln. Alle stürmten durch die tiefe Dunkelheit und erreichten bald das Ufer; dessen übereiste Felsen sie nicht ohne große Mühe erklommen. Sie eilten nach der großen Galerie, drangen in den Hauptsaal …
Tiefe Dunkelheit rings, die Temperatur schon merkbar verändert. Der Feuervorhang, der sonst vor der großen Oeffnung herabrollte, schloß diese nicht mehr und Lieutenant Prokop konnte sogar sehen, daß die durch das Einströmen der Lava bisher flüssige Lagune schon durch die Kälte erstarrt war.
So endete auf der Gallia der Neujahrstag der Erde, den man so festlich und freudig erregt begonnen hatte!
Fußnoten
1 Zwischen dem russischen Kalender und dem der anderen christlichen Staaten ist bekanntlich ein Unterschied von zwölf Tagen, so daß Neujahr nach dem ersteren auf unseren 13. Januar fällt.
Dreizehntes Capitel.
In welchem Kapitän Servadac und seine Gefährten das Einzige thun, was ihnen zu thun übrig bleibt.
Die Bewohner der Gallia verbrachten die Nacht, d.h. die wenigen Stunden bis Sonnenaufgang, in ganz unaussprechlicher Besorgniß. Auch Palmyrin Rosette hatte die bittere Kälte aus seinem Observatorium nach den inneren Galerien des Nina-Baues vertrieben. Jetzt oder nie bot sich vielleicht die Gelegenheit, ihn zu fragen, ob er immer noch bei der Absicht verharre, auf seinem unbewohnbaren Kometen die Sonnenwelt zu durchstreifen, worauf er indessen jedenfalls bejahend geantwortet hätte. Ob er übergeschnappt sei und das bis zu welchem Grade, hätte Niemand entscheiden können.
Gleichzeitig mit ihm hatten auch Kapitän Servadac und die anderen Alle eine Zuflucht in den tieferen Galerien der Bergmasse aufsuchen müssen. Der nach außen so weit offene Hauptsaal war jetzt nicht mehr zu benutzen. Schon traten glitzernde Krystalle an seinen sonst nur feuchten Wänden auf, und selbst wenn es gelungen wäre, dessen große offene Seite, welche früher der Lavavorhang bedeckte, irgendwie anders zu verschließen, so mußte die Temperatur dieses Raumes doch bis zur Unerträglichkeit herabsinken.
Ben-Zouf streckte den Arm gegen das Ufer aus. (S. 382.)
Das Innere der dunklen Gänge bot immer noch eine mittelmäßige Wärme. Zwischen der Luft draußen und drinnen hatte sich – wenn das auch nicht mehr lange dauern durfte – das Gleichgewicht jetzt noch nicht hergestellt. Man fühlte es fast, wie die Wärme sich gleichsam zurückzog. Der Berg glich etwa einem Leichnam, dessen Extremitäten zuerst erkalten, während das Herz der Todeskälte noch widersteht.
Ihnen voraus Ben-Zouf, begaben sie sich in den Centralkamin. (S. 388.)
»Nun gut, rief Kapitän Servadac, so werden wir im Herzen selbst unsere Wohnung aufschlagen.«
Am nächsten Tage versammelte er seine Genossen um sich.
»Liebe Freunde, redete er sie an, was ist’s denn, das uns bedroht? Die Kälte, zugegeben, aber auch weiter nichts als die Kälte. Wir besitzen Lebensmittel, welche unsere Fahrt auf der Gallia überdauern werden, Conserven in solchem Ueberflusse, daß wir eines Brennmateriales gewiß nicht bedürfen. Was brauchten wir denn übrigens, um die paar Monate Winter hinzubringen? Nur ein wenig von der Wärme, welche die Natur uns bisher umsonst lieferte. Nun, es ist ja mehr als wahrscheinlich, daß diese Wärme in den Eingeweiden der Gallia noch vorhanden ist, also werden wir sie dort aufsuchen!«
Diese vertrauungsvollen Worte belebten die guten Leute wieder, deren Einige schon den Muth sinken ließen. Graf Timascheff, Lieutenant Prokop und
Weitere Kostenlose Bücher