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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gourbi zurückzukehren.
    Nun blieb noch der schon zum Segelschlitten umgewandelte You-You übrig. Man erinnert sich, wie schnell und sicher mit ihm die Ueberfahrt von Formentera nach Warm-Land vor sich ging.
    Dieser benöthigte aber des Windes, um sich zu bewegen, und von Wind zeigte sich auf der Oberfläche der Gallia keine Spur. Vielleicht entstanden nach eingetretenem Thauwetter, wenn die sommerliche Wärme erst wieder Dünste entwickelte, auch neue Störungen der jetzt so stillen Gallia-Atmosphäre? Das war sogar zu befürchten. Vorläufig indessen herrschte vollkommene Ruhe, so daß der You-You unmöglich zur Fahrt nach Gibraltar Verwendung finden konnte.
    Man sah sich demnach in die Nothwendigkeit versetzt, den langen Weg zu Fuß oder vielmehr auf Schlittschuhen zurückzulegen. Er betrug gegen fünfundsechzig Meilen; – konnte man den Versuch unter den jetzigen Umständen wagen?
    Kapitän Servadac erbot sich zu dem Unternehmen. Zwölf bis achtzehn Meilen des Tages, also etwa fünf Viertelmeilen in der Stunde, zurückzulegen, das schreckte einen so geübten Schlittschuhläufer wohl nicht zurück. Binnen acht Tagen konnte er Gibraltar besucht und Warm-Land wieder erreicht haben. Einen Kompaß, um die Richtung einzuhalten, eine kleine Menge kaltes Fleisch und eine Spiritus-Kaffeemaschine, mehr verlangte er nicht, und dieses etwas waghalsige Unternehmen war ja von Anfang an schon so recht eigentlich nach seinem Sinne.
    Graf Timascheff und Lieutenant Prokop bestanden darauf, ihn zu begleiten oder ganz an seine Stelle zu treten. Kapitän Servadac lehnte dankend ab. Im Falle eines eintretenden Unglücks mußten der Graf und der Lieutenant doch auf Warm-Land sein. Was wäre ohne diese bei der Rückkunft nach der Erde aus ihren Gefährten geworden?
    Graf Timascheff mußte nachgeben. Kapitän Servadac wollte durchaus nur einen Begleiter mitnehmen, seinen getreuen Ben-Zouf. Er fragte ihn also, ob ihm die Sache wohl passe.
    »Ob sie mir paßt, alle Wetter, antwortete Ben-Zouf. Ob mir die Sache paßt, Herr Kapitän! Eine so schöne Gelegenheit, sich die Beine einmal wieder auszulaufen! Glauben Sie denn, ich hätte Sie überhaupt allein abfahren lassen?«
    Die Abreise wurde für den nächsten Tag, den 2. November, festgesetzt. Gewiß trieb den Kapitän Servadac in erster Linie der Wunsch, den Engländern zu nützen, und das Bedürfniß, einer Pflicht der Menschlichkeit zu genügen. Vielleicht ruhte aber doch noch ein anderer Gedanke in seinem Gehirn verborgen. Noch hatte er einen solchen freilich Niemandem mitgetheilt und wollte ihn offenbar gerade vor Graf Timascheff verborgen halten.
    Doch wie dem auch sein mochte, jedenfalls begriff Ben-Zouf, daß »die Sache noch ein Häkchen« haben müsse, als sein Kapitän am Abend vor dem Aufbruche zu ihm sagte:
    »Ben-Zouf, solltest Du im Hauptmagazine nicht irgend welche passende Stoffe finden, um eine dreifarbige Fahne herzustellen?
    – Gewiß, Herr Kapitän, versicherte Ben-Zouf.
    – Nun gut, so sorge mir, ungesehen von den Anderen, für eine solche Flagge, packe sie in Deine Reisetasche und nimm sie mit.«
    Ben-Zouf fragte nicht weiter und gehorchte.
    Was hatte Kapitän Servadac aber eigentlich vor und warum sprach er sich darüber nicht gegen seine Gefährten aus?
    Bevor wir hierauf näher eingehen, müssen wir einer gewissen psychologischen Erscheinung erwähnen, die, wenn sie auch nicht zur Kategorie der Himmelserscheinungen zählte, doch nicht minder natürlich, nämlich in einer Art menschlicher Schwäche begründet war.
    Seit der Wiederannäherung der Gallia an die Erde entstand zwischen Graf Timascheff und Kapitän Servadac, wohl in Folge eines Widerstreites ihrer Empfindungen, eine sich mehr und mehr erweiternde Kluft, möglicher Weise ganz ohne ihr Wissen. Die Erinnerung ihrer, während eines zweiundzwanzig Monate langen Beisammenseins fast vollständig vergessenen Nebenbuhlerschaft wachte erst in ihrem Kopfe, dann in ihrem Herzen wieder auf. Sollten diese zwei Gefährten eines unerhörten Abenteuers nach der Rückkehr zur Erde nicht wieder die beiden Nebenbuhler von ehedem werden? Wenn man auch Gallia-Bewohner war, hat man ja darum nicht aufgehört, Mensch zu sein. Frau v. L. … war vielleicht noch frei – o, es wäre schon ein Verbrechen gewesen, daran nur zu zweifeln! …
    Kurz, aus all’ diesen Gründen entwickelte sich zwischen Kapitän Servadac und Graf Timascheff, mit oder gegen deren Willen, eine zunehmende Kälte. Ein feinerer Beobachter hätte übrigens

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