Reise durch die Sonnenwelt
bemerken müssen, daß zwischen Beiden niemals eine herzliche Zuneigung, sondern nur jene Freundschaft herrschte, wie sie unter den gegebenen Umständen eben nothwendiger Weise aufwuchs.
Nach dieser erklärenden Einleitung treten wir dem Projecte des Kapitän Servadac näher – einem Projecte, welches ganz geeignet schien, zwischen dem Grafen Timascheff und ihm nur neue Eifersüchteleien zu erregen. Diese zu vermeiden, suchte er es eben geheim zu halten.
Wir müssen gestehen, daß der hier vorliegende Plan des phantastischen Kopfes, dem er seine Entstehung verdankte, ganz würdig war.
Bekanntlich hielten die auf ihrem Felsen eingeschlossenen Engländer Gibraltar noch immer für Albion besetzt. Dagegen wäre ja in dem Falle nichts einzuwenden, daß dieses britische Besitzthum sich wirklich unversehrt der Erde wieder einfügte. Mindestens würde ihnen Niemand den Besitz streitig gemacht haben.
Gibraltar gegenüber aber erhob sich das Eiland Ceuta. Vor dem Zusammenstoße gehörte dasselbe Spanien und beherrschte es die eine Seite der Meerenge. Da Ceuta jetzt herrenlos war, gehörte es Demjenigen, der zuerst seinen Fuß darauf setzte. Sich also nach dem Felsen von Ceuta zu begeben, davon im Namen Frankreichs Besitz zu ergreifen und daselbst die französische Fahne aufzupflanzen, das war die geheime Absicht des Kapitän Servadac.
»Wer weiß denn, so sprach er zu sich selbst, ob Ceuta nicht wohlbehalten zur Erde gelangt und später vielleicht ein wichtiges neues Mittelmeer beherrscht? Wohlan, die auf jenem Felsen aufgepflanzte französische Flagge wird dereinst Frankreichs Ansprüche sichern!«
Das waren die Gründe, weshalb Kapitän Servadac und seine Ordonnanz Ben-Zouf, ohne etwas davon zu sagen, auf Eroberung auszogen.
Man wird übrigens zugeben, daß Ben-Zouf ganz dazu geschaffen war, seinen Kapitän zu verstehen. Ein Stückchen Felsen für Frankreich zu erwerben! Den Engländern ein Schnippchen zu schlagen! Das war Wasser auf seine Mühle.
Nach dem Aufbruche, als das Abschiednehmen am Fuße des steilen Ufers zu Ende war, erhielt Ben-Zouf genauere Kenntniß von den Absichten seines. Kapitäns.
Da stieg die Erinnerung an die lustigen Soldatenlieder wieder in ihm auf und er sang mit heller Stimme:
»Und wenn die Sonne dem Meer entrückt
Die ersten schrägen Strahlen schickt –
Halloh! Ihr Jungen, d’rauf und d’ran,
Halloh! Die Zephyrs fliegen voran!«
»Herr Kapitän, sehen Sie doch!« sagte Ben-Zouf. (S. 426.)
Kapitän Servadac und Ben-Zouf eilten, warm gekleidet, die Ordonnanz den Reisesack mit den nöthigsten Bedürfnissen auf dem Rücken, Beide die Schlittschuhe an den Füßen, hurtig über die weiße Ebene und verloren bald die Höhen von Warm-Land aus den Augen.
»Der Herr Major Oliphant, glaub’ ich?« sprach der Kapitän. (S. 428.)
Die Fahrt ging ohne Unfall von statten. In gemessenen Zwischenräumen hielten sie Rast, um etwas zu ruhen und gemeinschaftlich ihr einfaches Mahl einzunehmen. Die Temperatur wurde selbst in der Nacht recht erträglich, und drei Tage nach dem Aufbruche, am 5. November, kamen die beiden Helden einige Kilometer von der Insel Ceuta an.
Ben-Zouf brannte vor Begierde. Wäre ein Sturm nöthig gewesen, so hätte er nur gewünscht, sich in Colonne womöglich »als Carré« formiren zu können, um die feindliche Reiterei zurückzuschlagen.
Es war jetzt Morgen. Vom Abfahrtspunkte bis hierher hatten sie die gerade Richtung mittels des Kompasses bestimmt und genau eingehalten. Von den Strahlen der Morgensonne übergossen, erschien der Felsen von Ceuta etwa fünf bis sechs Kilometer von ihnen entfernt am westlichen Horizonte.
Die beiden Abenteuerjäger hatten Eile, ihren Fuß auf diesen Felsen zu setzen.
Plötzlich hielt Ben-Zouf, der sich eines sehr scharfen Gesichtes erfreute, ungefähr drei Kilometer vor dem Ziele, im Laufe inne.
»Herr Kapitän, sehen Sie doch!
– Was denn, Ben-Zouf?
– Dort bewegt sich etwas auf dem Felsen.
– Gehen wir darauf los!« antwortete Kapitän Servadac.
Zwei Kilometer wurden binnen wenigen Minuten durchlaufen. Da hielten Kapitän Servadac und Ben-Zouf noch einmal an.
»Herr Kapitän!
– Nun, Ben-Zouf?
– Da ist unbedingt Jemand auf Ceuta, der gegen uns Bewegungen mit den Armen macht. Er scheint die Arme auszustrecken, wie ein Mensch, der aus langem Schlafe erwacht.
– Mordio! rief Kapitän Servadac, sollten wir zu spät kommen?«
Beide drangen weiter vor, bis Ben-Zouf ausrief:
»Ah, Herr Kapitän, es
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