Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Stunden darauf, seine täglichen Notizen in Ordnung zu bringen.
    »Für’s Erste, sagte er, will ich Berechnungen anstellen, um unsere Lage genau aufzunehmen: ich möchte nach unserer Rückkehr eine Karte von unserer Reise entwerfen, eine Art von senkrechtem Erddurchschnitt, welche das Profil der Expedition geben wird.
    – Das wird sehr merkwürdig sein, lieber Oheim; aber werden Ihre Aufzeichnungen dafür hinlänglich genau sein?
    – Ja. Ich habe die Neigungen und Winkel sorgfältig gemessen, und ich kann mich darauf verlassen, daß ich nicht irre. Sehen wir nun zuerst, wo wir uns befinden? Nimm den Compaß und merke die Richtung, welche er angiebt.«
    Ich betrachtete das Instrument, und antwortete, nachdem ich’s genau geprüft:
    »Ost-Quart-Süd-Ost.
    – Recht! sagte der Professor, indem er die Angabe aufzeichnete, und einige flüchtige Berechnungen hinwarf. Ich entnahm daraus, daß wir fünfundachtzig Lieues seit unserer Abreise zurückgelegt hatten.
    – Also reisen wir unter’m atlantischen Meere?
    – Ganz richtig.
    – Und in diesem Augenblick bricht vielleicht ein Sturm los, und Schiffe werden über unserm Kopf von Sturm und Wogen gerüttelt?
    – Wohl möglich.
    – Und die Wallfische werden mit ihrem Schwanz wider die Wände unseres Gefängnisses schlagen?
    – Sei ruhig, Axel, es wird ihnen nicht gelingen, es zu erschüttern. Aber kehren wir zu unseren Berechnungen zurück. Wir befinden uns im Südosten, fünfundvierzig Meilen vom Snäfields, und meinen Notizen nach in einer Tiefe von sechzehn Lieues (hundertundsechzig Kilometer).
    – Sechzehn Lieues! rief ich aus.
    – Allerdings.
    – Aber das ist ja die äußerste Linie, welche die Wissenschaft für die Dicke der Erdrinde angenommen hat.
    – Ich stelle das nicht in Abrede.
    – Und es sollte, nach dem Gesetz für die steigende Temperatur, hier eine Wärme von fünfzehnhundert Grad sein.
    – Es ›sollte‹, lieber Junge.
    – Und all dieser Granit könnte sich nicht in festem Zustand halten, und wäre in vollem Schmelzen begriffen.
    – Du siehst, daß nichts daran ist, und daß, wie gewöhnlich, die Theorien durch die Thatsachen Lügen gestraft werden.
    – Ich muß es zugeben, aber es setzt mich doch in Erstaunen.
    – Was giebt der Thermometer an?
    – Siebenundzwanzig und sechs Zehntel Grad.
    – Es fehlen also noch vierzehnhundertvierundsiebenzig Grad und vier Zehntel an dem, was die Gelehrten behaupten. Folglich beruht das verhältnißmäßige Steigen der Temperatur auf einem Irrthum. Folglich irrte Humphry Davy nicht. Folglich darf ich ihm Gehör leihen. Was hast Du darauf zu antworten?
    – Nichts.«
    Zwar hätte ich viel darauf zu sagen gehabt. Ich ließ die Theorie Davy’s in keiner Hinsicht gelten, ich hielt stets an der Centralwärme fest, obwohl ich ihre Wirkungen nicht spürte. Eher ließ ich wirklich gelten, daß dies Kamin eines erloschenen Vulkans, mit seinem störrigen Lava-Ueberzug die Wärme nicht durch seine Wände dringen ließ.
    Aber anstatt mich mit Aufsuchen neuer Beweise aufzuhalten, beschränkte ich mich darauf, die Lage der Dinge zu nehmen, wie sie war.
    »Lieber Oheim, fuhr ich fort, ich halte alle Ihre Berechnungen für genau, aber gestatten Sie mir eine strenge Folgerung daraus zu ziehen.
    – Thu’s, Lieber, nach Belieben.
    – An dem Punkt, wo wir uns befinden, unter der Breite Islands, beträgt der Erdradius ungefähr fünfzehnhundertdreiundachtzig Lieues?
    – Fünfzehnhundertdreiundachtzig.
    – Nehmen wir nun sechzehnhundert Lieues. Von diesen haben wir sechzehn zurückgelegt.
    – So ist’s.
    – Und zwar um den Preis von fünfundachtzig Lieues Diagonale?
    – Richtig.
    – Binnen zwanzig Tagen etwa?
    – Ja.
    – Nun machen sechzehn Lieues den hundertsten Theil des Erdradius aus. Fahren wir so fort, so brauchen wir noch zweitausend Tage, oder nächst fünf und ein halb Jahr, um hinunter zu kommen!«
    Der Professor hatte nichts darauf zu erwidern.
    »Ohne in Anschlag zu bringen, daß, wenn eine verticale Linie von sechzehn Lieues durch eine horizontale von achtzig gewonnen wird, dies achttausend Lieues in südöstlicher Richtung beträgt, und daß man also viel Zeit braucht, um von einem Punkt des Umfangs zum Centrum zu gelangen!
    – Zum Teufel mit Deinen Berechnungen! entgegnete mein Oheim zornig. Zum Teufel mit Deinen Hypothesen! Worauf beruhen sie denn? Wer sagt Dir denn, daß dieser Gang nicht direct bis zu unserm Ziel führt? Zudem hab’ ich zu meinen Gunsten einen Vorgänger. Was ich unternehme,

Weitere Kostenlose Bücher