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Reise ohne Ende

Reise ohne Ende

Titel: Reise ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Gilraban hereinkam, um ihm mitzuteilen, daß der Test-Transmitter aufgebaut sei, und um seine Anwesenheit bat.
    »Wartet damit noch ein wenig«, sagte er hölzern. »Wir können nicht einschalten, bevor wir nicht wissen, was für die Verletzungen verantwortlich ist. Wir können es uns nicht leisten, noch jemanden zu verlieren.«
    Raban brummte zwar etwas in sich hinein, war aber einverstanden. Er erklärte sich außerdem dazu bereit, alle aus den Wäldern zurückzurufen und dafür zu sorgen, daß sie innerhalb der abgebrannten Fläche blieben, bis Klarheit darüber herrschte, welche Lebensform die Mannschaft angegriffen hatte. Während des ganzen restlichen Tages lastete eine schockierte, brütende Stille über der Lichtung. Die Arbeit war unterbrochen, außer für das Biologenteam, das in Raumanzügen die Lichtung hinter dem Kinderlager absuchte, in der sich der Unfall abgespielt hatte. Gildoran hätte am liebsten einen Raumanzug angezogen und wäre mit ihnen dort hinausgegangen, um die Stelle in Stücke zu reißen und herauszufinden, was sich dort abgespielt hatte, aber noch nicht einmal diese Befriedigung war ihm vergönnt. Er war der Kapitän. Er gehörte an eine Stelle, an der die Mannschaftsmitglieder ihn finden und ihm Bericht erstatten konnten.
    Immer wieder fand er sich in der Medizinerkuppel ein, in der Gilmerrit noch immer betäubt dalag und der Puhbär zuckte, vor sich hinmurmelte und in Abständen von wenigen Sekunden in heftigen Krämpfen erstarrte. Gilban sah übernächtigt aus, und sein Gesicht war fast grau.
    »Kannst du nichts gegen die Krämpfe tun?« Gildoran hob die Hand. »Ich stelle nicht deine Kompetenz in Frage, Ban, ich frage dich nur.«
    Der Mann schüttelte mit einem Gesicht aus Stein den Kopf. »Wir wissen so wenig über die Puhbären, selbst nach all den Jahrhunderten. Sie werden nie krank. Sie haben uns den größten Teil von dem beigebracht, was wir über Medizin wissen, aber über ihre Biologie haben wir kaum eine Ahnung. Wenn ich ihm genug Sedative gebe, um die Krämpfe zu stoppen, verfällt er in Cheyne-Stokes-Atmung – sein Herz hat schon zweimal aufgehört zu schlagen, und ich mußte den Neurostimulator einsetzen. Ich kann nur mit den offensichtlichen Stützmaßnahmen versuchen, ihn am Leben zu erhalten, und die nützen auch nicht viel. Lange wird es nicht dauern. Höchstens ein paar Stunden, vielleicht nur ein paar Minuten.«
    Gildoran sagte nüchtern: »Sollten wir nicht die anderen Puhbären herholen? Sollten sie nicht darüber informiert werden, daß er stirbt?«
    »Was würde das nützen? Sie sollten bei den Kindern bleiben.«
    Gildoran sagte langsam: »Meiner Meinung nach haben sie ein Recht darauf, sich zu verabschieden. Stell jemand aus der Mannschaft der Samtfalter ab, der sich in der Zwischenzeit um die Kinder kümmert. Sende einen Transporter für die Puhbären hoch, es sei denn, du hältst es für besser, ihn von hier mit dem Landungsboot hochschaffen zu lassen.«
    Gilban schüttelte den Kopf. »In dem Augenblick, in dem wir ihn bewegen, stirbt er. Keine Frage.«
    Gildoran ging hinüber und stand bei dem großen sterbenden Wesen. Er wurde von Trauer und Zorn zerrissen. Er sah auf das pelzbewachsene freundliche Gesicht, das nun verzerrt und unkenntlich war. Ein solches Gesicht erhob sich als erstes aus seinen verschwommenen Kindheitserinnerungen auf der Samtfalter.
     
    Unsere Mütter. Meine Mutter stirbt, und ich kann daran nichts ändern. Diese Welt soll verdammt sein!
     
    Er sah Gilbans gebeugte Schulter, und mit einem plötzlichen Schmerz fiel ihm ein, daß auch er seine Mutter war. Er folgte einem Impuls von Schmerz, Mitleid und den Erinnerungen eines ganzen Lebens und legte dem älteren Mann seinen Arm um die Schulter, und einen Augenblick lang standen sie beieinander.
     
    Er haßt mich, aber jetzt sind wir Brüder. Das werden wir immer sein. Keiner von uns hat eine andere Welt als diese hier oder irgendwelche anderen Angehörigen als uns.
     
    Er wollte weiter dort stehenbleiben, wie ein Kind weinen, toben und den Kosmos fragen, warum dies alles mit ihnen geschehen war, aber er hatte Arbeit zu erledigen. Er seufzte schwer und machte sich daran.
    Der Puhbär, der in der Lichtung gewesen war, starb zwei Stunden später. Gildoran war nicht dabei; er warf einen Blick in die Medizinerkuppel und sah den großen, stillen braunen Körper von einem undurchdringlichen Kreis von fünf anderen großen, braunen, pelzbewachsenen Rücken umgeben. Die dichte Mauer um den

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