Reise um den Mond
der Himmelskarte ein neues Licht zugeworfen hätte. Gegen fünf Uhr theilte Michel Ardan anstatt der Mahlzeit einige Stückchen Brod mit kaltem Fleisch aus, welche rasch verschlungen wurden, ohne daß Einer seinen Platz am Fenster verlassen hätte, dessen Glas beständig von Neuem sich mit Frostblumen bedeckte.
Um fünf Uhr fünfundvierzig Minuten Abends gewahrte Nicholl vermittelst seines Fernrohrs am südlichen Rand des Mondes in der Richtung, welche das Projectil nahm, einige glänzende Punkte, die am dunklen Himmel abstachen.
Man konnte sie für eine Reihe spitzer Berggipfel halten, die gleich einer Wellenlinie das Profil bildeten. Sie leuchteten ziemlich lebhaft. So zeigen sich die Randlinien des Mondes, wann man ihn in seinen Achteln sieht.
Ein Irrthum war hier nicht möglich. Es handelte sich nicht mehr um ein bloßes Meteor, denn diese leuchtende Gräte hatte weder die Farbe noch die Beweglichkeit eines solchen. Ebensowenig um einen im Ausbruch begriffenen Vulkan. Darum sprach sich auch Barbicane unbedenklich aus:
»Die Sonne! rief er.
– Wie? die Sonne! erwiderten Nicholl und Michel Ardan.
– Ja, meine Freunde! das leuchtende Gestirn selbst bestrahlt die Gipfel dieser am Südrande des Mondes befindlichen Berge. Wir nähern uns offenbar dem Südpol!
– Nachdem wir am Nordpol vorübergefahren, erwiderte Michel. Also sind wir rings um den Trabanten herum gefahren.
– Ja, mein wackerer Michel.
– Dann haben wir weder Parabeln, noch Hyperbeln, noch sonst offene Curven mehr zu fürchten!
– Nein, aber eine geschlossene Curve.
– Und das wäre?
– Eine Ellipse. Anstatt im weiten Weltraum sich zwischen den Planeten zu verlieren, wird das Projectil vermuthlich einen elliptischen Kreis um den Mond herum beschreiben.
– Wirklich!
– Und wird einen Trabanten desselben bilden.
– Einen Mond des Mondes! rief Michel Ardan.
– Nur muß ich Dir bemerken, mein würdiger Freund, erwiderte Barbicane, daß wir darum nicht minder verloren sind!
– Ja, aber auf andere und angenehmere Weise!« versetzte der sorglose Franzose mit liebenswürdigstem Lächeln.
Der Präsident Barbicane hatte Recht. Es stand dem Projectil bevor, in dieser elliptischen Bahn als ein Untertrabant in alle Ewigkeit um den Mond herum zu kreisen. Es war ein neues Gestirn in der Sonnenwelt, eine kleine Welt für sich, von drei Menschen bewohnt – die aus Mangel an Luft in der Kürze dem Tode verfielen. Barbicane konnte also keine Freude daran haben, daß durch Zusammenwirken der centripetalen und centrifugalen Kraft dem Projectil dieses Loos definitiv bestimmt sein sollte. Die drei Gefährten besahen sich also von Neuem die beleuchtete Stelle der Mondscheibe. Vielleicht sollte sich doch ihr Dasein noch so lange verlängern, daß sie noch zum letzten Male die Erde in vollem Licht und prachtvoller Bestrahlung von der Sonne erblicken, ihr ein ewiges Lebewohl zurufen könnten! Hernach würde ihr Projectil nur eine erloschene, todte Masse sein, gleich den unthätigen Asteroiden, welche im Aether schliefen. Sie hatten nur noch die eine tröstliche Aussicht, endlich aus diesem stockfinsteren Dunkel heraus wieder an’s Licht zu kommen, in Gegenden, die sich an der Bestrahlung von der Sonne erquickten!
Inzwischen waren die von Barbicane erkannten Berge immer mehr aus der dunkeln Masse hervorgetreten. Es waren der Leibnitz und Dörfel, welche in der Gegend um den Südpol des Mondes emporragen.
Alle Berge der sichtbaren Hemisphäre sind mit größter Genauigkeit gemessen worden. Man staunt vielleicht, daß dieses so vollkommen möglich ist, und doch sind die hypsometrischen Methoden sehr strenge. Man kann sogar behaupten, daß die Höhe der Mondberge ebenso genau bestimmt ist, als die Berghöhen der Erde.
Die am meisten angewendete Methode besteht darin, daß man den von den Bergen geworfenen Schatten mißt, wobei man den Höhestand der Sonne im Moment der Beobachtung in Anschlag bringt. Dieses Messen geschieht leicht vermittelst eines Fernrohrs, woran ein Netzchen mit zwei parallelen Fäden angebracht ist, indem man voraussetzt, daß der wirkliche Durchmesser der Mondscheibe genau bekannt sei. Mit dieser Methode läßt sich ebenso die Tiefe der Krater und Vertiefungen des Mondes messen. Galiläi hat sie angewendet, und seitdem mit dem größten Erfolg Beer und Mädler.
Es läßt sich noch eine andere Methode zur Messung der Höhen auf dem Monde verwenden. Dies geschieht in dem Moment, wo die Berge leuchtende Punkte, gesondert von der
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