Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise um den Mond

Reise um den Mond

Titel: Reise um den Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Sonne. Sie sahen wieder die langsam von Osten nach Westen sich bewegenden Sterne. Das strahlende Gestirn wurde mit dreifachem Hurrah begrüßt. Zugleich mit dem Licht genoß man auch wieder die Wohlthat der Wärme, die bald durch die metallenen Wände drang. Die Fenster wurden wieder durchsichtig; wie durch Zauber verschwand ihre Eisdecke. Sogleich wurde aus Sparsamkeit das Gas gelöscht. Nur der Luftapparat brauchte, wie bisher, seinen gewohnten Bedarf.
    »Ach! rief Nicholl, wie wohlthuend das, diese warmen Strahlen! Wie ungeduldig müssen die Seleniten nach so langer Nacht das Wiedererscheinen des Tagesgestirns erharren!
    – Ja, erwiderte Michel Ardan, den trefflichen Aether einschlürfend, Licht und Wärme, darin besteht das Leben!«
    In diesem Augenblick strebte das Bodenstück des Projectils sich etwas von der Mondoberfläche zu entfernen, so daß es eine ziemlich lange Ellipse beschrieb. Von diesem Punkt aus hätten Barbicane und seine Genossen die Erde, wäre sie in vollem Licht gewesen, wieder erblicken können. Aber ganz von der Sonne umstrahlt, war sie durchaus unsichtbar. Ein anderes Schauspiel dagegen mußte ihre Blicke auf sich ziehen, der Anblick der Südregion des Mondes, welche durch das Fernrohr bis auf eine halbe Viertel Lieue nahe gebracht war. Sie wichen nicht mehr vom Fenster und zeichneten Alles im kleinsten Detail auf, was sie auf dem seltsamen Continent sahen.
    Dörfel und Leibnitz bilden zwei gesonderte Berggruppen, welche sich nahe am Südpol entwickeln. Die erste Gruppe erstreckt sich vom Pol bis zum vierundachtzigsten Breitegrad auf der Ostseite des Gestirns; die zweite, am Ostrand, reicht vom fünfundsechzigsten Grad bis zum Pol.
    Auf ihrem launisch gezeichneten Grat zeigten sich blendende Streifen, wie sie vom Pater Secchi angezeigt wurden. Barbicane konnte ihre Natur mit noch mehr Gewißheit als der berühmte englische Astronom erkennen.
    »Das ist Schnee! rief er aus.
    – Schnee? wiederholte Nicholl.
    – Ja, Nicholl, Schnee, dessen Oberfläche ganz mit Eis überzogen ist. Sehen Sie, wie sie die Lichtstrahlen reflectirt. Gefrorene Lava würde keinen so starken Reflex geben können. Es giebt also Wasser, es giebt Luft auf dem Mond. Sei’s auch noch so wenig, aber die Thatsache ist unbestreitbar!«
    Nein, sicherlich nicht! Und wenn jemals Barbicane wieder auf die Erde kommt, werden seine Notizen in den selenographischen Beobachtungen die wichtige Thatsache bezeugen.
    Diese Dörfel und Leibnitz erheben sich mitten in Ebenen von mäßiger Ausdehnung, welche von einer unübersehbaren Reihe von Circus und Ringwällen begrenzt waren. Diese beiden Ketten sind die einzigen, welche in der Region der Circus sich treffen. Verhältnißmäßig wenig uneben ragen hie und da einige schroffe Spitzen empor, von welchen der höchste siebentausendsechshundertunddrei Meter mißt.
    Aber das Projectil gewährte von alle diesem nur den Gesammtüberblick, und das Einzelne der Bodengestaltung verschwand in diesem stark blendenden Glanz der Scheibe. Den Augen der Reisenden zeigten sich wieder die Mondlandschaften in dem uralterthümlichen Aussehen mit rohen Tönen ohne Abstufung der Farben, ohne Nuancen der Schatten, grell weiß und schwarz, weil das zerstreute Licht mangelte. Doch verfehlte der Anblick dieser öden Welt nicht, selbst durch seine Seltsamkeit sie zu fesseln. Aber nirgends sahen sie eine Spur von Vegetation, einen Anschein von Städten; nichts als Schichtungen, Rinnen von Lavaströmen, ausgeworfenen Massen, glatt wie ungeheure Spiegel, welche die Sonnenstrahlen mit unerträglichem Glanz reflectirten. Nichts von lebender Welt, nur eine erstorbene, wo die Lavinen, vom Gipfel der Berge herabrollend, geräuschlos in den Abgrund versanken. Sie hatten zwar die Bewegung, aber das Geräusch fehlte ihnen noch.
    Barbicane stellte durch wiederholte Beobachtung fest, daß die Bodenerhöhungen am Rand der Mondscheibe, obwohl sie der Einwirkung anderer Kräfte unterworfen waren, als die der Region der Mitte, doch eine gleichförmige Bildungsform zu erkennen geben. Die gleiche, kreisförmige Gestaltung, dieselben Bodenerhebungen. Doch konnte man denken, es müßten damit nicht auch ihre Beschaffenheiten analog sein. Im Centrum war in der That die noch dehnbare Kruste des Mondes der doppelten Anziehung des Mondes und der Erde unterworfen, welche in entgegengesetzter Richtung gemäß eines von einem zum andern verlängerten Radius wirkte. Dagegen an den Rändern der Scheibe war die Anziehung des Mondes so zu

Weitere Kostenlose Bücher