Reise Um Die Erde in 80 Tagen
einen Theil des Himmels.
Der Pilot hatte sein Leuchtfeuer aufgestellt, eine unerläßliche Vorsichtsmaßregel in diesen sehr befahrenen Meeren, nächst den Landungsplätzen, Zusammenstöße traten nicht selten ein, und bei der Schnelligkeit, womit die Goelette fuhr, konnte der geringste Stoß sie zertrümmern.
Fix stand in Gedanken verloren auf dem Vordertheil.
Da er Fogg's schweigsame Natur kannte, so hielt er sich bei Seite. Zudem war es ihm zuwider, mit dem Manne zu reden, dessen Gefälligkeit er annahm. Er dachte auch an die Zukunft. Es schien ihm ausgemacht, daß Fogg sich nicht zu Yokohama aufhalten, vielmehr unverzüglich das Packetboot [134] nach San Francisco besteigen würde, um nach Amerika zu kommen, auf dessen ungeheuern Räumen er Straflosigkeit und Sicherheit finden würde.
Das schien der einfachste Plan Phileas Fogg's zu sein. Anstatt kurzer Hand in England wie ein gewöhnlicher Schurke nach den Vereinigten Staaten überzuschiffen, hatte dieser Fogg den weiten Umweg gewählt mit der Fahrt über drei Viertheil des Erdumkreises, um so mit mehr Sicherheit auf's amerikanische Festland zu gelangen, und daselbst, nachdem er die Polizei an der Nase geführt, ruhig seine Banknoten zu genießen. Aber was sollte Fix auf amerikanischem Gebiet anfangen? Diesen Menschen loslassen? Nein, hundertmal nein! Bis er eine Auslieferungsacte erwirkt, wollte er ihm nicht von der Ferse weichen. Diese seine Schuldigkeit wollte er vollständig erfüllen. Jedenfalls hatte er einen glücklichen Umstand erzielt: Passepartout befand sich nicht mehr bei seinem Herrn, und zumal nachdem Fix gegen ihn vertraulich gewesen, war es von Wichtigkeit, daß Herr und Diener nie wieder zusammen kamen.
Phileas Fogg machte sich ebenfalls Gedanken um seinen so auffallend verschwundenen Diener. Alles in Betracht gezogen, schien es ihm nicht unmöglich, daß der arme Junge in Folge eines Mißverständnisses sich erst im Moment der Abfahrt auf dem Carnatic eingefunden hatte. Das meinte auch Mrs. Aouda, welche diesen braven Diener, dem sie so viel verdankte, herzlich bedauerte. Es war also nicht unmöglich, ihn in Yokohama wieder zu finden, und wenn er mit dem Carnatic dahin abgefahren war, konnte man's leicht erfahren.
Gegen zehn Uhr erhob sich ein frischer Wind. Vielleicht wäre es klug gewesen, ein Reff aufzunehmen, aber der Pilot ließ, nachdem er den Himmel sorgfältig beobachtet hatte, das Segelwerk in seinem bisherigen Zustande. Uebrigens hielt die Tankadere bei tiefem Wasser ihre Segel stattlich, und alles war fertig, im Fall eines Windstoßes sie einzuziehen.
Um Mitternacht begaben sich Phileas Fogg und Mrs. Aouda in die Cabine hinab. Fix war schon dahin vorausgegangen und hatte sich auf einen Divan gelagert. Der Pilot blieb mit seinen Bootsleuten die ganze Nacht auf dem Verdeck.
Am folgenden Morgen, den 8. November, bei Sonnenaufgang, hatte die Goelette bereits über hundert Meilen zurückgelegt. Das Log gab eine durchschnittliche Geschwindigkeit von acht bis neun Meilen an. Die Tankadere [135] hatte halben Wind in ihren Segeln, die alle trieben, und so erlangte sie ihre größte Geschwindigkeit. Hielt sich der Wind dermaßen, so waren das gute Aussichten.
Die Tankadere entfernte sich während dieses ganzen Tages nicht merklich von der Küste, deren Windströmung ihr günstig war. Diese zog sich höchstens fünf Meilen entfernt linker Hand, und wurde, da sie unregelmäßig zugeschnitten war, mitunter durch lichte Stellen hindurch sichtbar. Da der Wind vom Lande herkam, so ging ebendeshalb das Meer weniger stark; ein günstiger Umstand für die Goelette, denn den Fahrzeugen von geringem Tonnengehalt gereicht besonders die hohle See zum Nachtheil, da sie ihre Schnelligkeit bricht.
Gegen Mittag wurde der Wind etwas milder und strich südöstlich. Der Pilot ließ die kleinen Segel aufziehen; aber nach Verlauf von zwei Stunden mußte man sie wieder einziehen, denn der Wind wehte wieder stärker.
Herr Fogg und die junge Frau, welche der Seekrankheit glücklich widerstanden, aßen mit Appetit Zwieback und Conserven, welche an Bord befindlich waren. Fix wurde eingeladen, theilzunehmen, und hätte es annehmen sollen, denn er wußte wohl, daß man den Magen ebensowohl wie die Schiffe mit Ballast versehen muß; aber es war ihm zuwider. Auf Kosten dieses Mannes die Reise zu machen, von seinem Brod zu essen, fand er doch etwas unehrenhaft. Er aß jedoch, – zwar nur ganz wenig, – doch aß er.
Als das Mahl beendigt war, glaubte er den
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