Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Titel: Reise Um Die Erde in 80 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
darf, so hatte er sich schon gemerkt, daß Fleischgerichte in Japan selten sind. Darin irrte er nicht, aber sein Magen hätte sich auch mit Wildpret, Geflügel oder Fischen begnügt, womit die Japanesen fast ausschließlich sich nähren, außer den Gerichten von Reis. Aber er mußte für heute sich gutwillig in sein Geschick fügen und die Nahrungssorge auf den nächsten Morgen verschieben.
    Die Nacht kam heran. Passepartout begab sich wieder in den Stadttheil der Eingeborenen und schweifte in den Straßen herum zwischen bunten Laternen, sah den Possenreißern zu, die in Gruppen ihre Zauberkünste sehen ließen, und den Astrologen, welche in freier Luft die schaulustige Menge um ihr Fernrohr sammelten. Nachher besuchte er wieder die Rhede, welche im Glanz der Fischerfeuer prangte, die mit dem Schein ihrer Harzfackeln die Fische herbeilocken.
    Endlich wurden die Straßen leer, und an Stelle der Massen sah man Yakunine die Runde machen. Diese Beamten in ihrer prachtvollen Uniform und von ihrem Gefolge umgeben, nahmen sich wie Gesandtschaften aus, [149] und Passepartout rief scherzend, so oft er so einer glänzenden Patrouille begegnete:
    »Seht da! Wieder eine japanesische Gesandtschaft, die nach Europa reisen will!«

Dreiundzwanzigstes Capitel.
Passepartout bekommt eine über die Maßen lange Nase.
    Am folgenden Morgen fühlte sich Passepartout lendenlahm und ausgehungert; er mußte Speise zu sich nehmen, und zwar so bald wie möglich. Zwar hatte er seine Uhr zu verkaufen, aber lieber wäre er Hungers gestorben. Es war hohe Zeit, daß der wackere Junge die starke, wenn auch nicht melodische Stimme, womit die Natur ihn ausgestattet hatte, zu verwerthen suchte.
    Er wußte noch einige französische und englische Lieder auswendig, und versuchte sich sie zu singen. Die Japanesen mußten wohl Musikliebhaber sein, weil sie alles beim Klang von Cymbeln, in Begleitung von Tam-Tam und Trommeln vornehmen; und gewiß würden sie nicht ermangeln, die Talente eines europäischen Virtuosen zu schätzen.
    Aber vielleicht war's noch etwas zu früh für Veranstaltung eines Concerts, und die unvermuthet aus dem Schlaf gebrachten Liebhaber hätten den Sänger vielleicht nicht mit einer Münze bezahlt, die das Bild des Mikado trug.
    Passepartout entschloß sich also, noch einige Stunden zu warten; aber, indem er seines Weges ging, kam ihm der Gedanke, er müsse zu wohl gekleidet aussehen für einen Wanderkünstler, und wenn er seine Kleider gegen einen Trödel tauschte, der besser zu seiner Lage paßte, so müsse dabei noch etwas herausspringen, womit er gleich seinen Hunger befriedigen könnte.
    Diesen Entschluß auszuführen, kostete es Passepartout geraume Zeit, bis [150] er einen Trödler fand, dem er sein Begehren vortrug. Die europäische Kleidung gefiel demselben, und bald kam Passepartout aus seiner Bude heraus in einen alten japanesischen Rock vermummt, und einen gerippten Turban auf dem Kopf, dessen Farben bereits verblichen waren. Aber dazu klirrten ihm einige Stücke Münze in seiner Tasche.
    »Gut, dachte er, ich stelle mir vor, wir seien beim Carneval!«
    Als Passepartout dergestalt japanisirt war, suchte er vor allen Dingen eine Theestube von bescheidenem Aeußern auf und hielt da mit einem Stück Geflügel und einigen Handvoll Reis ein Frühstück, während sein Mittagsmahl eine noch zu lösende Aufgabe war.
    Als er sich reichlich gesättigt hatte, sprach er also zu sich selber:
    »Jetzt gilt's, nicht den Kopf zu verlieren. Ich habe nun nicht mehr das Hilfsmittel, diesen Trödelanzug gegen einen noch mehr japanesischen zu verkaufen. Ich muß also auf Mittel sinnen, so bald wie möglich aus diesem Sonnenland hinauszukommen, das für mich nur ein Land traurigen Gedenkens sein wird!«
    Passepartout dachte nun die nach Amerika fahrenden Packetboote zu besuchen, und meinte da sich zum Koch oder Diener anzubieten gegen freie Fahrt und Kost. Wäre er einmal zu San Francisco, so werde er sich leichter aus der Verlegenheit ziehen können. Die Hauptsache war nur, über die viertausendsiebenhundert Meilen des Stillen Meeres zwischen Japan und der Neuen Welt hinauszukommen.
    Diesen Gedanken sofort auszuführen, ging Passepartout nach dem Hafen von Yokohama zu. Je näher er den Docks kam, um so mehr schien ihm die Idee, welche ihm anfangs so einfach vorgekommen war, unausführbar. Wie sollte man an Bord eines amerikanischen Packetbootes einen Koch oder Bedienten nöthig haben? und was könne er in seinem dermaligen Anzug für

Weitere Kostenlose Bücher