Reise Um Die Erde in 80 Tagen
für sein unverantwortliches Benehmen zu gewinnen.
Passepartout stand also auf, und da das Packetboot bei hohler See stark schwankte, so kostete es dem guten Jungen, der noch nicht recht fest auf den Beinen stand, einige Mühe, auf's Hinterverdeck zu gelangen.
Hier auf dem Verdeck gewahrte er Niemand, der wie sein Herr oder Mrs. Aouda aussah.
[144] »Gut, dachte er, Mrs. Aouda liegt jetzt noch im Schlaf, und Herr Fogg wird einen Spielgenossen für Whist gefunden haben, und seiner Gewohnheit nach ...«
Yokohama-Benten. (S. 146.)
Mit solchen Gedanken begab sich Passepartout in den Salon, aber Herr Fogg war nicht da zu finden. Passepartout brauchte indessen nur den Proviantmeister nach seiner Cabine zu fragen. Derselbe erwiderte, es sei ihm kein Passagier dieses Namens bekannt.
»Entschuldigen Sie, sagte Passepartout dringend; es handelt sich um [145] einen großen, kalten, wenig gesprächigen Gentleman in Begleitung einer jungen Dame ...
– Es befindet sich gar keine junge Dame an Bord, versetzte der Proviantmeister. Zum Ueberfluß unterrichten Sie sich selbst auf der Passagierliste. Hier ist sie.«
Passepartout besah die Liste ... Seines Herrn Name stand nicht darauf.
Er war ganz verblüfft. Da fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf.
»Ah! Bin ich denn auf dem Carnatic? rief er aus.
– Ja, erwiderte der Proviantmeister.
– Auf dem Wege nach Yokohama?
– Ganz richtig.«
Passepartout hatte eine Weile die Besorgniß, er sei auf das unrechte Schiff gekommen! Aber befand er sich auf dem Carnatic, so war es nun klar, daß sein Herr sich nicht darauf befand.
Das war für Passepartout ein Donnerschlag; er sank auf einen Fauteuil hin. Nun ging ihm plötzlich ein Licht auf. Er erinnerte sich, daß die Abfahrt des Carnatic auf etwas frühere Zeit verlegt worden war, daß er dies seinem Herrn hatte melden sollen, was er aber zu thun unterließ. Demnach war es seine Schuld, wenn Herr Fogg und Mrs. Aouda sich für die Abfahrtszeit verspäteten.
Seine Schuld, ja; aber noch weit mehr des Verräthers, der ihn, um ihn von seinem Herrn zu trennen und diesen zu Hongkong zurückzuhalten, betrunken gemacht hatte. Denn nun begriff er den Kniff des Polizei-Agenten. Und jetzt sei Herr Fogg sicherlich durch Verlust seiner Wette ruinirt, verhaftet, vielleicht im Kerker! ... Passepartout raufte sich bei diesem Gedanken die Haare. Ah! Fiele Fix ihm jemals in die Hände, wie würde er mit ihm abrechnen!
Endlich, nachdem die erste Bestürzung vorüber war, bekam Passepartout seinen Gleichmuth wieder, und er studirte seine Lage, die wenig beneidenswerth war. Der Franzose befand sich auf der Reise nach Japan. Dahin kam er wohl gewiß, wie aber von da wieder weg mit leerer Tasche? Keinen Shilling, keinen Penny darin! Doch waren seine Fahrt und Kost an Bord vorausbezahlt. Also konnte er sich noch fünf bis sechs Tage besinnen, um einen Entschluß zu fassen. Wie er sich bei dieser Fahrt noch Essen und Trinken [146] schmecken ließ, kann man sich denken: er aß für sich, seinen Herrn und Mrs Aouda zusammen.
Am 13. früh Morgens fuhr der Carnatic in den Hafen von Yokohama ein.
Dieser Punkt ist ein bedeutender Platz am Stillen Meere, wo alle Boote im Dienst der Post und der Reisenden zwischen Nordamerika, China, Japan und den malaischen Inseln anhalten. Yokohama liegt in der Bai von Yeddo, unweit von dieser ungeheuern Stadt, der zweiten Hauptstadt des Reiches Japan, vormals Residenz des Taikun, zur Zeit als dieser bürgerliche Kaiser noch existirte, und Rivalin von Miako, der großen, vom Mikado bewohnten Stadt, dem kirchlichen Kaiser, der von den Göttern stammte.
Der Carnatic nahm seinen Platz am Quai zu Yokohama, in der Nähe der Hafendämme und der Zollmagazine, mitten unter zahlreichen Schiffen aller Nationen.
Passepartout war nichts weniger als begeistert, wie er dieses so merkwürdige Land der Sonnensöhne betrat. Es blieb ihm nichts übrig als den Zufall zum Führer zu nehmen und auf's Geradewohl die Straßen der Stadt zu durchwandeln.
Er befand sich gleich in einer völlig europäischen Stadt von niedrig gebauten Häusern, mit Verandas auf zierlichen Säulenreihen, einem Quartier, das mit seinen Straßen, Plätzen, Docks, Lagerhäusern den ganzen Raum vom Vorgebirge bis zum Fluß bedeckte. Hier, wie zu Hongkong und zu Calcutta, wimmelte ein Gemisch aus Menschen aller Racen, Amerikanern, Engländern, Chinesen, Holländern, Kaufleuten, denen alles feil ist und die alles kaufen, in deren Mitte sich der Franzose ebenso
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