Reisefuehrer Barcelona
künstlerische Talent des jungen Picasso war schon damals so überzeugend, dass er im Alter von 13 Jahren an der Kunstakademie aufgenommen wurde. Die Zulassungsarbeit, für die ein Monat vorgesehen war, soll er an einem Tag geschafft haben. Auf jeden Fall durfte er gleich ein paar Klassen überspringen.
Die Wohnung der Familie lag nur ein paar Schritte von der Akademie entfernt in Richtung Alter Hafen, über den Arkaden des Gebäudes Porxos d’en Xifre. Von der Terrasse aus beobachtete und malte Picasso das Meer, das mediterrane Licht, die Dächer und Altstadtgassen. Viele dieser frühen Werke sind heute im Picasso-Museum der Stadt zu sehen. Mit 14 bezog der junge Maler sein erstes eigenes Atelier. Bald gehörte er zur quirligen Künstler- und Bohemeszene Barcelonas, die sich dem avantgardistischen Paris näher fühlte als dem konservativ-behäbigen Madrid. Man traf sich im Lokal Els Quatre Gats , das nach dem Vorbild des Pariser Le Chat Noir in einem Gebäude des Jugendstilarchitekten Puig i Cadafalch eröffnet wurde und bis heute existiert. Hier zeigte Picasso im Jahr 1900 auch seine erste Ausstellung – und gestaltete die Vignetten der Speisekarte. Im Rotlichtmilieu der Altstadt, um die Carrer Avinyó herum, sammelte der junge Mann einschlägige Erfahrungen, die ihn zu seinem berühmten Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon” inspirierten. 1904 siedelte Picasso endgültig in die französische Hauptstadt über, aber die zehnjährige Barcelona-Periode wurde prägend für sein Werk.
RUMBA CATALANA
Eine Mischung aus Flamenco, afrokaribischer Musik und Rock ’n’ Roll: Die rumba catalana entstand in den 1950er-Jahren in den Vierteln Gràcia, Hostafrancs und Sant Antoni, den Quartieren der katalanischen gitanos , die seit über 200 Jahren hier ansässig sind. Sie erfanden mit der Rumba ihren eigenen Musikstil – und eine neue Art, die Gitarre zu schlagen, wobei nicht nur die Saiten, sondern auch das Holz des Instruments bearbeitet wird. Mit dem Sommerhit „Borriquito” schaffte der katalanische Rumbastar Peret 1971 sogar den Sprung an die Spitze der internationalen Charts. Seit ein paar Jahren ist eine neue Musikergeneration dabei, die rumba catalana zu modernisieren, auf der Suche nach einer eigenen Identität als gitanos und Katalanen. Der neue Sound aus Barcelona ist absolut angesagt, nicht nur in der Mittelmeermetropole.
SENY UND RAUXA
So wie Barcelona von reizvollen Kontrasten geprägt ist, so werden auch Charakter und Lebensgefühl ihrer Bewohner durch zwei völlig gegensätzliche Eigenschaften bestimmt. Einerseits neigen die Katalanen zu gesundem Menschenverstand, Gemein- und Geschäftssinn, zu Strebsamkeit und Disziplin. Andererseits kann all die Vernunft plötzlich umkippen in einen Zustand rauschhafter Erregung: Seny und rauxa (sprich: rauscha) heißen diese beiden Extreme. Sie brachten den wirtschaftlichen Wohlstand der Region hervor und Künstlergenies wie Salvador Dalí und Joan Miró, den politischen Pragmatismus ebenso wie große Anarchistenaufstände. So lebt in den Katalanen bis heute eine uralte Sehnsucht nach Europa, nach „dem Norden” – und gleichzeitig eine zutiefst mediterrane Mentalität.
STIERKAMPF
Der Stierkampf ist den Spaniern heilig – den Katalanen dagegen eher suspekt: Immer mehr lehnen die jahrhundertealte Tradition als Tierquälerei ab. 2010 kam es im Regionalparlament zu einer historischen Entscheidung: Katalonien hat als erste Region auf dem spanischen Festland den Stierkampf ab 2012 verboten. Dabei fanden in Barcelona ohnehin nur noch wenige corridas statt – vor allem jüngere Leute interessieren sich kaum noch für das blutige Spektakel. Von dem Verbot wird dennoch eine Signalwirkung auf andere Regionen erwartet. Die regionale Tradition der correbous aber will man in Katalonien erhalten: Der Stier wird mit einer Fackel an den Hörnern durch die Straßen getrieben – ohne blutiges Ende.
VERKEHR
Der Himmel über Barcelona ist oft strahlend blau. Aber die mediterrane Idylle trügt: An vielen Tagen übersteigt die Luftverschmutzung die von der EU zugelassenen Höchstwerte um ein Vielfaches. Täglich quälen sich Millionen von Privatfahrzeugen durch Barcelona und Umgebung, trotz des gut ausgebauten öffentlichen Verkehrssystems. Umweltzonen oder Fahrverbote wie in anderen europäischen Metropolen existieren höchstens auf dem Papier. Kaum war ein Tempolimit von 80 km/h auf den Stadtautobahnen eingeführt, wurde es schon wieder abgeschafft, weil die Bevölkerung
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