Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
Jedenfalls haben’s wenigstens Keine versucht; ich kann also nur von meinen Landsleuten sprechen. Ein letztes Beispiel will ich noch anführen, das ganz unglaublich wäre, wenn es nicht die Zeugen dafür außer Zweifel setzten. Der Herzog von Ragusa und ein
Dr.
Jung, ein Franzose und ein Oesterreicher, sahen einen Türken gar in ein Bad gehen, welches hundertsiebzig Grad (+78° hunderttheilig) warm war.
– Mir will aber scheinen, sagte Johnson, daß das nicht der Leistung der Bannofenmädchen und der unserer Landsleute gleichkommt!
– Entschuldigen Sie, erwiderte der Doctor, es ist ein großer Unterschied, ob man in heiße Luft oder in heißes Wasser geht. Die warme Luft ruft eine Verdunstung hervor, welche den Körper beschützt, während man in heißem Wasser nicht transspirirt und sich deshalb verbrennt. So ist die äußerste Temperaturgrenze, die man bei Bädern für zulässig erachtet, im Allgemeinen hundertsieben Grad (+ 42° hunderttheilig). Jener Türke mußte also ein außergewöhnlicher Mensch sein, um eine solche Hitze zu ertragen.
– Herr Clawbonny, fragte Johnson, welche Temperatur haben im Allgemeinen die lebenden Geschöpfe?
– Das ist je nach ihrer Natur verschieden, entgegnete der Doctor; so zeigen die Vögel unter allen Thieren die größte Eigenwärme und unter ihnen stehen Ente und Henne vornan; die Wärme ihres Körpers übersteigt hundertzehn Grad (+ 43° hunderttheilig), während die Nachteule z.B. nur hundertvier Grad (+ 40° hunderttheilig) hat; in zweiter Linie kommen dann die Säugethiere und die Menschen; die Temperatur der Engländer ist gewöhnlich hundertein Grad (+ 37° hunderttheilig).
– Ich bin ganz sicher, daß Herr Altamont für die Amerikaner mehr beanspruchen wird, sagte Johnson lachend.
– Nun gewiß, erwiderte dieser, es sind sehr Heißblütige darunter; da ich ihnen aber nie ein Thermometer in den Brustkasten oder unter die Zunge geschoben habe, kann ich unmöglich etwas Gewisses darüber sagen.
– Gut, setzte der Doctor hinzu, der Unterschied zwischen den verschiedenen Menschenracen ist auch nicht merkbar, wenn sie sich unter gleichen Verhältnissen befinden und dieselbe Nahrung genießen. Ich möchte fast behaupten, daß die menschliche Eigenwärme unter dem Aequator und dem Pole dieselbe ist.
– Also, sagte Altamont, ist hier unsere Körperwärme dieselbe wie in England?
– Ganz sicher, antwortete der Doctor; was die anderen Säugethiere betrifft, so übersteigt ihre Temperatur meist ein wenig die des Menschen. Das Pferd steht ihm sehr nahe, ebenso der Hase, der Elephant, das Meerschwein und der Tiger; aber Katze, Eichhörnchen, Ratte, Panther, Schaf, Ochse, Hund, Affe, Bock und Ziege erreichen hundertdrei Grad, und endlich, das Bevorzugteste unter derart Thieren, das Schwein, hat gar über hundertvier Grad (+ 40° hunderttheilig)..
– Das ist erniedrigend für uns, sagte Altamont.
– Es folgen hierauf die Amphibien und Fische, deren Temperatur je nach der des Wassers sehr verschieden ist. Die Schlange hat nur sechsundachtzig Grad (+ 30° hunderttheilig), der Frosch fünfundsechzig (+ 25° hunderttheilig), der Hai im Mittel gar noch ein und einen halben Grad weniger; die Insecten endlich scheinen gar die Temperatur der Luft und des Wassers zu haben.
– Das ist Alles ganz schön, sagte Hatteras, der jetzt endlich das Wort ergriff, und ich danke dem Doctor für die uns gewordene Mittheilung seiner Kenntnisse. Aber wir plaudern hier, als wenn uns große Hitze zu ertragen bevorstände. Wäre es nicht mehr am Platze, von der Kälte zu reden, zu wissen, was wir etwa zu erwarten haben, und welches die niedrigsten bis jetzt beobachteten Temperaturen sind?
– Das ist richtig, meinte Johnson.
– Nichts leichter als das, sagte der Doctor, und ich stehe gern mit Aufklärung zu Diensten.
– Das glaube ich, sagte Johnson, Sie wissen ja Alles.
– Ich weiß weiter Nichts, meine Freunde, als was ich von Anderen gelernt habe, und nach meinen Mittheilungen werden Alle ebenso unterrichtet sein, wie ich. Ueber die Kälte und die in Europa beobachteten niedrigsten Temperaturen kann ich nur etwa Folgendes sagen: Man zählt viele sehr harte Winter, und es scheint, daß die strengsten unter diesen nach einer Periode von etwa einundvierzig Jahren wiederkehren, ein Zeitraum, der mit dem reichlichsten Vorkommen von Sonnenflecken zusammenfällt. Ich erinnere hier an den Winter von 1364, wo die Rhône bis Arles hin gefror; an den von 1408, wo die Donau in ihrer ganzen
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