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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die möglichen Folgen der Entdeckung jenes Fragmentes: ob sie Mitleidende retten oder von jenen gerettet werden sollten.
    Bald aber waren sie wieder eine Beute der Hindernisse, Schwierigkeiten und der Ermattung, und hatten nur noch ihre eigene, doch so gefahrvolle Lage vor Augen.
    Simpson’s Zustand ward immer schlechter; dem Doctor konnten die Vorzeichen des nahenden Todes nicht entgehen; er vermochte nichts mehr zu thun, zumal da er selbst an einer schmerzhaften Augenentzündung litt, die ihn, wenn er sie vernachlässigte, mit Blindheit bedrohte. Die Dämmerung verbreitete doch eine ziemliche Lichtmenge, die, von dem Schnee zurückgeworfen, die Augen reizte. Nur mit Mühe vermochte man sich gegen jene Rückstrahlung zu schützen; denn farbige Brillengläser, welche man sonst verwendet, überzogen sich bald mit einer Eisschicht und wurden undurchsichtig. Dabei mußte man immer sorgfältig auf den Weg achten und auf möglichste Entfernungen hin die Richtung des Weges zu bestimmen suchen, und so wurde es wirklich schwierig, der Gefahr einer Augenentzündung zu entgehen.
     

    Der Doctor und Bell halfen sich in der Art, daß sie abwefeind die Augen bedeckt hielten und abwechselnd die Leitung des Schlittcus übernahmen.
    Nur mühsam glitt dieser noch auf seinen abgenutzten Kufen und war ebenso schwer fort zu bewegen; dagegen nahmen die Schwierigkeiten des Weges täglich nur zu, da man über einen vulkanischen, tief gerissenen, gefurchten und mit scharfen Kanten reich versehenen Boden reiste. Bis auf eine Höhe von fünfzehnhundert Fuß war die Gesellschaft nach und nach gekommen; die Temperatur war dabei so rauh als möglich; Windstöße und Wirbelstürme traten mit ungewohnter Heftigkeit auf und ein trauriges Bild boten die Unglücklichen, die sich über diese verlassenen Höhen hinschleppten.
    Daneben waren sie noch von Schneeblindheit befallen; dieser gleichmäßige Glanz griff sie an; sie waren schwindlich, wie betrunken; der Boden schwand unter ihren Füßen und schien auf der ganzen ungeheuren weißen Decke keinen festen Stützpunkt mehr zu bieten; es war ihnen ein Gefühl, wie beim Schwanken des Schiffes, wobei das Verdeck dem Fuße zu entschwinden scheint; die Reisenden vermochten sich nicht daran zu gewöhnen, und die Fortdauer dieser Empfindung nahm ihnen den Kopf ein. Ihre Glieder wurden schwer beweglich, ihr Geist war gleichsam schlaftrunken, und so zogen sie auch wirklich, wie im Halbschlaf weiter. Nur eine entstehende Verwirrung, ein unerwarteter Stoß oder Fall brachte sie einigermaßen zum Bewußtsein, welches sie aber doch schon nach kurzer Zeit wieder verließ.
    Vom 25. Januar ab stiegen sie dann über steile Abhänge niederwärts, doch nahm ihre Abspannung auf diesen übereisten schiefen Flächen nur zu, ein Fehltritt, der ja nur schwer zu vermeiden war, reichte wohl hin, sie in tiefe Abgründe zu stürzen, in welchen sie rettungslos verloren gewesen wären.
    Gegen Abend peitschte ein wüthender Sturm die schneeigen Gipfel; kaum vermochte man der Gewalt des Orkans Widerstand zu leisten, so daß die Reisenden gezwungen waren, sich platt auf die Erde niederzulegen, was sie aber wieder der Gefahr aussetzte, auf der Stelle anzufrieren.
    Bell errichtete mit Hatteras’ Hilfe wieder ein Schneehaus, in welchen die Elenden Schutz suchten; dort stärkte man sich durch etwas Pemmican und warmen Thee. Nur vier Gallonen Weingeist waren noch übrig, und von diesen brauchte man immer, nur um den Durst zu löschen, denn man darf nicht glauben, daß der Schnee als solcher hierzu brauchbar gewesen wäre; im Gegentheil mußte dieser immer erst geschmolzen werden. In gemäßigten Klimaten, wo die Temperatur nicht viel unter den Gefrierpunkt sinkt, würde der Genuß des Schnees keine besonders üble Wirkung haben, aber in den Polargegenden ist das ganz anders; er nimmt dort eine derartige Kälte an, daß man ihn oft ebenso wenig wie glühendes Eisen mit bloßer Hand anzufassen vermag, obwohl er ein so schlechter Wärmeleiter ist. Zwischen ihm und dem Magen ist also eine so bedeutende Temperaturdifferenz, daß sein Genuß vollkommene Erstickungsanfälle erzeugen würde. Die Eskimos ertragen lieber die härtesten Entbehrungen, als daß sie sich solchen Schnees bedienen, der das Wasser keineswegs ersetzt und den Durst nur steigert. Die Reisenden konnten also nur unter der Bedingung von jenem Gebrauch machen, daß sie ihn mittels Spiritus zerschmelzen ließen.
    Um drei Uhr Morgens, als der Sturm am heftigsten wüthete,

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