Reisetagebuecher
und da einer, z. B. ich, langsam ein Buch aufhebt, langsam und wenig drin blättert, langsam es hinlegt und endlich langsam weggeht. Das ernste Nennen der Preise von Büchern, deren Unanständigkeit so lächerlich ist, daß man sich einen Kaufabschluß unter den Augen des ganzen Publikums zuerst nicht vorstellen kann.
Um wie viel mehr Entschlußkraft das Kaufen eines Buches vor dem Laden als drinnen verlangt, weil dieses Aussuchen eigentlich nur ein freies Überlegen ist bei zufälliger Gegenwart der ausliegenden Bücher
Sitzen auf den zwei einander zugewendeten Sesselchen in den Champs Elysees. Viel zu lang aufbleibende Kinder spielen noch im Halbdunkel, in dem sie die von ihnen in den Sand gezogenen Striche nicht mehr gut sehn.
Die geschlossene Badeanstalt mit einer in der Erinnerung türkisch wirkenden Außenbemalung. Sie ist eisengrau beleuchtet mitten am Nachmittag, weil Sonnenlicht nur durch die Lücken der oben ausgespannten Tücher in einer Ecke mit einzelnen Strahlen kommt und unten das Flußwasser das Ganze verdunkeln hilft. Großer Raum. In einer Ecke eine Bar. Die Schwimmeister jagen hier und drüben das Bassin entlang laufend einander die Kundschaften ab. Sie treten an den Besucher vor seiner Kabine von der Seite drohend heran und verlangen mit unverständlichen aber beharrlichen Reden ein Sperrgeld. Ein Verlangen in unverständlicher Sprache scheint mir diskret vorgebracht.
Grand bains du pont Royal. In den Ecken stehn auf den Stufen Leute die sich gründlich mit Seife abwaschen. Das Seifenwasser um sie herum rührt sich nicht. Man sieht durch die Lücken zum Fluß zu etwas sich vorbeibewegen, es sind Dampfer. Die Ärmlichkeit dieses Schwimmvergnügens zeigt sich, als zwei mit einem alten Seelentränker sich unterhalten, der von einer Wand weggeschoben schon an die gegenüberliegende stößt. Kellergeruch. Schöne grüne Gartenbänke. Viel Deutsch. In einer Schwimmschule hängt über Wasser ein Knotenstrick zum beliebigen Turnen herunter. Wir 22
fragen nach Musee Balzac, ein hübscher Junge mit von der Nässe aufgebauschter Frisur erklärt uns daß wir das Musee Grevin (ein Panoptikum) meinen. Dienstbereit läßt er sich seine Kabine aufmachen, bringt einen kleinen Führer (vielleicht Neujahrsgeschenk eines Etablissements) und findet auch dort das Musee Balzac nicht. Wir haben uns schon innerlich fortwährend bedankt, da wir das voraussahen; und auch dringend abgeraten, es zu suchen. Es steht ja auch im Bottin nicht.
Warum saß am Vormittag im Cassenraum des Teatre Francais ein Polizeimann Gendarm oder Soldat?
Eine dicke Placeuse in der Kom. Oper nimmt uns ziemlich von oben herab etwas Trinkgeld ab. Ich dachte, es liege daran, daß wir mit unsern Teaterkarten in der Hand etwas zu sehr Schritt für Schritt hintereinander heraufgekommen waren und nahm mir vor am nächsten Abend in der Comödie der Placeuse in ihre Augen hinein das Trinkgeld zu verweigern, während ich jetzt vor ihr und mir mich schämend ein großes Trinkgeld gab. Gar als alle andern ohne Trinkgeld hineinkamen. Ich brachte in der Comödie auch meinen Satz heraus, in dem ich das Trinkgeld etwas meiner Meinung nach
"nicht unumgängliches" nannte, mußte aber wieder zahlen als die diesmal magere Placeuse klagte, sie sei von der Verwaltung nicht entlohnt und das Gesicht zur Schulter neigte Stiefelputzscene am Anfang. Wie die Kinder, die die Wache begleiten, im gleichen Schritt, die Treppe hinuntergehn. Eindruck der obenhin gespielten Ouverture, so daß die zuspät Kommenden einen leichten Eintritt haben, so pflegt man sonst nur Operetten herzunehmen. Richtige Einfalt der Inscenierung. Schläfrige Statisten, wie bei allen Vorstellungen die ich in Paris gesehen während sie bei uns oft schlecht zurückgehaltene Lebendigkeit haben. Der Esel für den ersten Akt Carmen vor dem Teatereingang in der engen Gasse von Teaterleuten und etwas Straßenpublikum umgeben, wartet im Halbdunkel, bis die kleine Eingangstür frei wird. Ich kaufe auf der Freitreppe fast mit Bewußtsein eines jener falschen Programme, wie sie vor allen Teatern verkauft werden. Eine Ballerine tanzt für Carmen in der Schmugglerkneipe. Wie ihr stummer Körper beim Gesang Carmens arbeitet. Später aus Einzelheiten zusammengesetzter Tanz Carmens, der aber doch wegen ihrer Verdienste in der bisherigen Vorstellung eigentlich viel schöner ist. Es sieht aus als hätte sie vor der Vorstellung einige eilige Lektionen bei der Hauptballerine genommen. Das Rampenlicht macht ihre
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