Reiterhof Birkenhain 05 - Strumnacht am Meer
den Flur, dann eine Treppe hinauf zu den Schlafräumen. Zehn Dreibettzimmer, ein Vierbettzimmer, zwei Einzelzimmer.
»Hat eine von euch einen Ordnungsfimmel?«, erkundigte sich Rita, als sie die Tür zu einem Dreibettzimmer öffnete und einen Blick hineinwarf. »Das wäre optimal schlecht. Dann könnte sie nämlich jetzt gleich der Schlag treffen.«
Luisa nahm sich vor nichts zu sagen. Egal, wie wüst das Zimmer aussah.
Drilling Rita hatte nicht übertrieben.
Die Kiefemmöbel waren nur stellenweise zu erahnen. Schlafanzüge und nasse Handtücher hingen kreuz und quer über Bettrahmen und Stühlen. Der Teppichboden war bedeckt mit Jeans und Turnschuhen, offenen Reisetaschen, Colaflaschen und aufgeschlagenen Pferdebüchern.
Der Tisch am Fenster sah aus wie ein modernes Kunstwerk. Abgerollte Lakritzschnecken, angebissene Schokoriegel und aufgerissene Chipstüten gruppierten sich um zwei schwarze Leggings, einen Stapel Kassetten und drei Hufkratzer. Unter einer Lakritzschnecke lugte ein angefangener Brief hervor.
»Lustig«, fand Jule, »fast wie bei mir zu Hause. Bekommt eure Mutter keinen Anfall, wenn sie das sieht?«
»Nur, wenn Chips auf dem Boden liegen. Oder im Bett.« Die Mädchen blieben im Türrahmen stehen. Es hätte wenig Sinn gehabt, das Zimmer ohne Buschmesser zu betreten, mit dem man sich einen Weg durch das Chaos erkämpfen konnte. Jedenfalls war eins klar - auf diesem Reiterhof konnte man sich richtig wohl fühlen.
»Sieht so aus«, sagte Conny und sah die Drillinge zufrieden an, »als ob das bei euch total starke Ferien werden.«
2. Kapitel
Nun aber los!
Natürlich gab es auf dem Reiterhof Birkenhain dramatische Szenen bei der Auswahl der Schulpferde, die mit an die Nordsee kommen durften.
Luisa wollte unbedingt ihr Lieblingspferd FleckenPaula dabeihaben, Conny den Traberwallach Rocky und Jule die Holsteiner Stute Sally, genannt Mäuschen.
Noch am Freitagabend vor der Abreise war die Sache nicht geklärt. Es fehlte nicht viel und die drei Freundinnen wären sich in die Haare geraten. Bis Herr Jensen ein Machtwort sprach.
»Darf ich die Damen daran erinnern«, sagte er, »dass es sich um meine Pferde handelt? Also Schluss jetzt. Wir nehmen die beiden Fjordies mit. Außerdem Sally, weil sie erfahren im Gelände ist. Das vierte Pferd überlege ich mir noch.«
Jule strahlte. Sally durfte mit! Ihre Sally.
»Und Flecken-Paula«, sagte Luisa schnell, »die ist auch zuverlässig.«
»Ach, und auf wem sollen dann die Voltis turnen? Auf dem da vielleicht?« Herr Jensen zeigte auf das Holzgestell, auf dem die Voltigierkinder vor dem Unterricht den Auf- und Abschwung übten.
Luisa seufzte. Keine Chance.
Jetzt versuchte es Conny. »Rocky? Bitte, Herr Jensen.« »Unsinn. Du weißt doch selbst, was für ein nervöses Hemd unser Traber ist! Der in einem fremden Stall - das gibt nur unnötig Stress.«
Stallbesitzer Kai Jensen verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein und lehnte sich an eine Box. Wenn er zu lange auf einem Fleck stand, schmerzten die Verletzungen noch, die er sich bei einem Sturz von der Leiter zugezogen hatte.
Conny schmollte.
»Mach mich nicht wahnsinnig, Kind.« Herr Jensen wollte noch mehr sagen, aber da klingelte das Telefon. »Gehst du hin?«, fragte er Conny, um sie vom TraberThema abzulenken.
Außerdem vermied er im Moment jeden unnötigen Weg. Er war erst kurze Zeit aus dem Krankenhaus heraus. Conny nickte und lief in die Sattelkammer zum Telefon.
»Etwas Wichtiges?«, wollte Herr Jensen wissen, als sie zurückkam.
»Nein. Verwählt«, sagte Conny hastig und setzte dann stirnrunzelnd hinzu: »Wenn wir uns einigen, welches Pferd als viertes mitkommen soll - stimmen Sie dann zu?«
»Hm«, machte Herr Jensen, »mal sehen.«
Conny schob Jule und Luisa nach draußen vor das Stallgebäude. Helle Birken und sattgrüner Holunder säumten das alte Bauernhaus. Dieser Flecken Erde am Stadtrand von Hamburg war für die drei Freundinnen der schönste Platz der Welt. Hier trafen sie sich fast jeden Tag nach der Schule. Sie putzten die Pferde, halfen bei der Stallarbeit - und selbstverständlich nahmen sie auch Reitstunden.
»Höchste Alarmstufe«, flüsterte Conny und zog Luisa und Jule zu sich heran. »Am Telefon - das war wieder diese Ulrike Mühlberg. Wegen Ankum, wenn ihr wisst, was ich meine.«
Klar wussten sie, was Conny meinte.
Diese Frau aus Krefeld gab keine Ruhe. Als Herr Jensen im Krankenhaus lag, hatte sie mehrmals angerufen. Ulrike Mühlberg hatte den
Weitere Kostenlose Bücher