Rendezvous mit Rama
dieser astronomischen Lebenstatsache würde der Mond - und nur er - immer ein Vorort der Erde bleiben.
Persönlich anwesend waren gleichfalls drei von den Spezialisten, die zusätzlich in das Komitee gewählt worden waren. Professor Davidson, der Astronom, war ein alter Bekannter von Bose; er schien heute nicht ganz so leicht erzürnbar wie gewöhnlich. Dr. Bose wusste nichts von den internen Kämpfen, die dem Abschuss der ersten Rama-Sonde vorangegangen waren, aber den Professor hatten seine Kollegen dies nicht vergessen lassen.
Dr. Thelma Price war ihm vertraut durch ihre zahlreichen Auftritte im Fernsehen, obgleich ihr Ruf bereits vor fünfzig Jahren erstmalig glanzvoll erstrahlt war, in jener Zeit der archäologischen Explosion, die nach der Austrocknung des großen Meeresmuseums - des Mittelmeers - aufgetreten war.
Dr. Bose erinnerte sich noch gut an diese aufregende Periode, in der die verloren gegangenen Schätze der Griechen und Römer und eines Dutzends anderer Zivilisationen wieder ans Tageslicht gebracht wurden. Bei dieser Gelegenheit, einer der ganz wenigen, hatte er wirklich bedauert, dass er auf dem Mars lebte. Außerdem gehörte der Exobiologe Carlisle Perera logischerweise dazu, ebenso wie Dennis Solomons, der Wissenschaftshistoriker. Etwas weniger glücklich war Dr. Bose über die Anwesenheit Conrad Taylors, des gefeierten Anthropologen, der seinen Ruf einzig und allein der geschickten Kombination von Wissenschaftlichkeit und Erotik in seiner Untersuchung über die Pubertätsriten in Beverley Hills im späten zwanzigsten Jahrhundert verdankte.
Niemand jedoch hätte Sir Lewis Sands das Recht bestreiten wollen, im Komitee zu sitzen. Sir Lewis, dessen Wissen bestenfalls von seiner Höflichkeit übertroffen wurde, stand in dem Ruf, nur dann die Haltung zu verlieren, wenn man ihn den Arnold Toynbee seiner Zeit nannte.
Der große Historiker war nicht persönlich anwesend. Er weigerte sich hartnäckig, die Erde zu verlassen, sogar angesichts einer derart entscheidenden Sitzung wie der bevorstehenden. Sein Stereoabbild war allerdings von der wirklichen Person nicht zu unterscheiden. So saß also Sir Lewis scheinbar rechts von Dr. Bose, und, wie um die Illusion vollkommen zu machen, hatte jemand ein Glas Wasser vor ihn gestellt. Dr. Bose war der Ansicht, dass ein derartiger technologischer Aufwand ein unnötiger Trick sei, doch war es erstaunlich, wie viele unbestreitbar große Männer ein beinahe kindliches Vergnügen daran hatten, an zwei Orten zugleich sein zu können. Zuweilen führten diese elektronischen Wunder zu komischen Katastrophen: Bose hatte einmal an einem diplomatischen Empfang teilgenommen, bei dem jemand versucht hatte, durch ein Stereogramm hindurchzugehen - und dabei zu spät entdeckt, dass es die wirkliche Person war. Noch komischer war es, wenn jemand einer Projektion die Hand schütteln wollte ...
Seine Exzellenz der Botschafter des Mars bei den United Planets rief Böses schweifende Gedanken zur Ordnung. Der Botschafter räusperte sich und begann: »Gentlemen, ich erkläre die Sitzung des Komitees für eröffnet. Ich glaube, ich darf wohl zu Recht behaupten, dass es sich um eine Versammlung von einzigartigen Köpfen handelt, einberufen, eine einzigartige Situation zu diskutieren. Die Anweisung des Generalsekretärs an uns geht dahin, die Lage abzuwägen und Commander Norton gegebenenfalls zu beraten.«
Dies war geradezu ein Meisterstück an Vereinfachung, und alle wussten es. Denn außer im Fall einer echten Notlage würde sich wahrscheinlich nie ein direkter Kontakt zwischen dem Komitee und Commander Norton ergeben - sofern dieser überhaupt jemals von seiner Existenz gehört hatte. Denn das Komitee war eine Interimseinrichtung der United Planets' Science Organisation und berichtete durch seinen Direktor dem Generalsekretär. Sicher, die Raumüberwachung war eine Abteilung der UP - aber auf dem operationalen, nicht auf dem wissenschaftlichen Sektor. Theoretisch sollte dies eigentlich kaum einen Unterschied machen: Es gab keinen Grund dafür, dass das Rama-Komitee - oder überhaupt jemand - Commander Norton nicht anrufen und ihm hilfreiche Ratschläge geben sollte.
Aber Kommunikation im Weltraum ist teuer. Die Endeavour war nur durch PLANETCOM zu erreichen, eine unabhängige Organisation, die berühmt war für die peinliche Genauigkeit und Effizienz ihrer Abrechnung. Es dauerte lange, bis man mit PLANETCOM auf Kreditbasis arbeiten konnte. Irgendwie bemühte sich jemand darum,
Weitere Kostenlose Bücher