Rendezvous mit Rama
Welt die Verluste und Leckagen von Zehntausenden von Jahrhunderten im Raum wieder gut machen.
Rama wirbelte immer schneller um die Sonne herum. Er bewegte sich nun rascher als irgendein Objekt, das jemals das Sonnensystem gekreuzt hatte. In weniger als zwei Stunden hatte sich seine Bewegungsrichtung um mehr als neunzig Grad verändert, und damit hatte Rama endgültig bewiesen, wie geradezu verächtlich wenig ihm an all diesen Welten lag, deren Seelenfrieden er so grob gestört hatte.
Rama fiel aus der Eklipse heraus gegen den Südhimmel zu, in eine Richtung, die weit unter den Bahnen aller Planeten des Sonnensystems lag. Und wenn dies auch nicht sein endgültiges Ziel sein konnte - denn das war ganz eindeutig -, so strebte er doch mehr oder weniger auf die Große Magellanwölke, diesen berühmten Nebel zu, auf die einsamen Abgründe jenseits der Milchstraße.
46 Ein letztes Zwischenspiel
»Kommen Sie rein«, sagte Commander Norton wie geistesabwesend, als er das sachte Klopfen an seiner Tür vernahm.
»Hier sind ein paar Neuigkeiten, Bill. Ich wollte Sie direkt bringen, ehe die Besatzung sich was ausdenkt. Und außerdem fallen sie sowieso in meinen Verantwortungsbereich.«
Norton schien immer noch weit weg zu sein. Er lag auf dem Bett, die Hände hinter dem Nacken verschränkt, die Augen halb geschlossen, die Beleuchtung in der Kabine war nur schummrig... Er döste nicht richtig vor sich hin, doch er hatte sich in den Luxus einer Fantasie, eines höchst privaten Traums verloren.
Er blinzelte ein-, zweimal, dann war er sofort wieder da.
»Tut mir leid, Laura. Ich begreife das gar nicht. Worum geht es denn?«
»Sagen Sie bloß, Sie hätten es vergessen!«
»Hören Sie auf, mich an der Nase oder sonst wo rumzuführen, Sie ekelhaftes Weib! In letzter Zeit habe ich mich ja wirklich mit ein paar kleinen Problemchen rumschlagen müssen.«
Stabsärztin Kapitänleutnant Ernst schob einen Ankerstuhl die Rillen entlang und setzte sich neben Norton nieder.
»Die interplanetarischen Krisen kommen und gehen, aber die Mühlen der Bürokratie auf dem Mars mahlen unablässig vor sich hin. Ich vermute, Rama hat da Hilfestellung geleistet. Und Gott sei Dank brauchten Sie nicht auch noch das Einverständnis der Hermianer dazu!«
In Nortons Gehirn dämmerte etwas.
»Oh - also hat Port Lowell die Erlaubnis gegeben!«
»Nein, noch besser - es klappt bereits ...« Laura Ernst warf einen Blick auf den Papierstreifen in ihrer Hand. »Sofort«, las sie. »Möglicherweise wird gerade jetzt Ihr neuer Sohn empfangen. Meine Glückwünsche.«
»Danke. Ich hoffe nur, es hat ihm nichts ausgemacht zu warten.«
Wie alle Astronauten war Norton bei seiner Dienstverpflichtung sterilisiert worden. Denn wenn ein Mann Jahre seines Lebens im Weltraum verbringen musste, dann waren strahlungsbedingte Mutationen des Samens nicht ein bloßes Risiko, sondern eine ziemliche Gewissheit. Also hatte das Spermatozoon, das auf dem Mars soeben seine Genfracht abgeladen hatte (zwei Millionen Kilometer von seinem Spender entfernt), dreißig Jahre lang tiefgefroren warten müssen, bis sich sein Schicksal erfüllte.
Norton fragte sich, ob er wohl rechtzeitig zur Geburt seines Kindes nach Hause kommen würde. Er hatte sich Erholung verdient - ein normales Familienleben, soweit dies einem Astronauten überhaupt möglich war. Jetzt, da seine Mission nahezu beendet war, begann er sich zu entspannen. Er dachte wieder an seine Zukunft und an die Zukunft seiner beiden Familien. Ach, es würde gut sein, eine Zeit lang wieder zu Hause zu sein und die verlorene Zeit wieder gut zu machen. In jeder Hinsicht...
»Mein Besuch«, protestierte Laura ziemlich wenig überzeugend, »hatte eigentlich einen rein beruflichen Charakter...«
»Nach all den Jahren«, antwortete Norton, »dürften wir uns doch wohl ein bisschen besser kennen. Im Übrigen sind Sie ja ab sofort außer Dienst.«
Sehr viel später fragte er Stabsärztin Kapitänleutnant Ernst: »Und was denkst du jetzt ?«
»Ich hoffe doch, dass Sie nicht sentimental werden, Skipper!«
»Nein, nicht wegen uns beiden. Es ist Rama. Ich fange an, ihn zu vermissen.«
»Innigsten Dank für dieses Kompliment.«
Norton schloss sie fester in die Arme. Eine der nettesten Nebenerscheinungen der Schwerelosigkeit, pflegte er oft zu denken, war es, dass man einen Partner wirklich die ganze Nacht lang im Arm halten konnte, ohne dass einem dabei die Arme einschliefen. Und es gab sogar Leute, die behaupteten, dass Liebe bei
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