René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
von klein auf, immer alles durchzusetzen. Er hat ja immer die erste Rolle eingenommen, allein schon durch den Fußball. Wir haben alles für ihn erledigt, das fing schon an, als er vier oder fünf Jahre alt war. Da stach er schon raus beim Fußball. Als die anderen auf dem Spielfeld saßen und Gras raus rissen, hat der schon richtig zielstrebig gespielt.«
Heike Schnitzler glaubt heute, dass sie ihren ältesten Sohn zu sehr verwöhnt hat. »Diese andauernde Unterstützung, die war vermutlich verkehrt. Man hat es ihm so zu leicht gemacht. Diese Rolle hat er nie mehr abgelegt – er glaubte, er könne sich alles leisten. Wie schrecklich war das zum Beispiel, als er immer mit dem Mustang angefahren kam. Da war abends die ganze Straße wach. Die Schaufenster haben vibriert.
Als Mutter würde es mich sehr beruhigen, wenn er eine Lebensperspektive sähe, ganz egal, ob das Fußball oder etwas anderes wäre. Ich hatte so eine Perspektive immer. Mit 20 habe ich geheiratet, mit 21 kam René schon zur Welt. Ich war mit meinem Mann bereits zusammen, als ich fünfzehn war. Wir kommen beide hier aus Giesenkirchen, mein Mann ist vier Jahre älter, der hat damals schon Geld verdient, da hatte alles einen geregelten Ablauf. Alles war solide. Und dann kommt René und bringt unser ganzes Leben durcheinander.
Mein Gott, der Junge hat dieses Potenzial und verschenkt es so. Das tut uns immer noch weh, gerade meinem Mann, der Fußball liebt und immer an Réne geglaubt hat. Aber es geht nicht mehr um die große Karriere, es geht darum, den Schaden zu regulieren. Ich habe auch Angst um ihn, weil er Schulden gemacht hat bei Leuten, mit denen nicht zu spaßen ist. Ich würde mir wünschen, dass er einen ganz normalen Beruf ausübt. Aber ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen bei ihm. Das macht mir Sorgen.«
EINZELZELLE
Am Dienstag, dem 8. Dezember 2010 um halb acht Uhr wacht René Schnitzler auf, weil an den Rollladen vor seinem Schlafzimmer gehämmert wird. Es ist dunkel, auch Sara hat noch geschlafen. Am Abend davor war Schnitzler mit Christian Pöstges unterwegs, sie pokerten zuerst in Anrath, danach in einer illegalen Runde in Krefeld, eine Tour ohne besondere Ausschläge in der Erregungsskala der beiden Zocker. Als Schnitzler aufsteht, den Rolladen hochzieht und das Fenster öffnet, blendet ihn der Strahl einer Taschenlampe. Polizisten halten ihm ihre Dienstmarken und die Anordnung für eine Hausdurchsuchung entgegen. »Wir ermitteln im Zuge des Fußball-Wettskandals«, sagt einer der Beamten.
Schnitzler ist auf eine Couch gesackt, neben ihm kauert verängstigt Sara, und zusammen beobachten sie, wie die Beamten nun den Schreibtisch durchwühlen und die Wohnung durchsuchen. »Ich war geschockt und konnte nicht mehr richtig denken«, erinnert sich Schnitzler. Er ist hart getroffen, in die Knie gegangen, angezählt wie noch nie.
Gegen »Schnitzler und andere«, so steht es in dem Beschluss des Amtsgerichts Bochum, wird wegen »gewerbsmäßigem Bandenbetrug« ermittelt. Angeordnet wird die Beschlagnahme von Unterlagen, »Vermerke, persönliche Aufzeichnungen, Gedächtnisprotokolle, Zahlungsverkehrsbelege, Datenträger, Wettscheine, Zugangsdaten zu Wettanbietern pp., soweit sie darauf schließen lassen, dass der Beschuldigte René Schnitzler als Profifußballer Bestechungsgelder erhalten hat«. Weiter heißt es in der richterlichen Verfügung vom 7. Dezember 2010: »Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird.«
Belege dafür, dass Schnitzler Spiele verschoben haben könnte, finden sich nicht in der Wohnung. Die Polizisten beschlagnahmen seinen Laptop und sein Handy, Schnitzler selbst bringen sie nach Bochum zur Vernehmung. Dass er festgenommen worden ist, macht ihn nervös wie nie zuvor, er raucht Kette. Gegen zehn Uhr wird er vernommen, der Kriminalbeamte ist Fußballfan. Er hat den Raum, in dem Schnitzler befragt wird, mit Fahnen des Hamburger SV dekoriert. »Da habe ich mich als Stürmer des FC St. Pauli sofort wohl gefühlt«, scherzt Schnitzler im Rückblick. An diesem Dienstag im Dezember aber fühlt und verhält er sich, als ob seine letzten Stunden angebrochen wären.
Schnitzlers Anwalt Rainer Pohlen befindet sich gerade in Hamburg. Er verteidigt einen somalischen Piraten, dem der Prozess gemacht wird. Der Pirat, ein Junge noch, glaubt, dass ihm in Deutschland die Todesstrafe drohe. Es sind die komplizierten Fälle, die Pohlen interessieren.
Als Schnitzler mit ihm
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