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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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Der Gedanke
gefällt mir. Ich lege eine Hand an das kühle Glas, und der Wal richtet sein
Auge direkt auf mich. Er stößt wieder einen dieser stöhnenden Laute aus, fast
so als würde er mit mir sprechen. Im Vergleich zu mir ist er natürlich riesig,
doch für einen Blauwal nicht sonderlich groß, vielleicht gerade mal zwanzig
Meter lang. Sicher ist er noch jung und gerade erst geschlechtsreif geworden.
Mit seiner blau-grau gesprenkelten Haut und dem gerilltem Bauch sieht er
einfach atemberaubend aus. Hoffentlich singt er heute noch für mich. Die
Walgesänge klingen zwar immer traurig, sind aber wundervoll.
    Dann rollt er sich
herum und gibt den Blick frei auf einen anderen Vertreter seiner Art. Da dieses
Exemplar ein wenig größer ist und mit ihm zu flirten scheint, frage ich mich
sofort, ob das seine Gefährtin ist. Sie kommt so nah an das Glas, dass ich sie
hätte berühren können, wenn das Fenster uns nicht trennen würde. Sie mustert mich
lange mit ihrem großen Auge, und ich bleibe reglos stehen. Natürlich kann sie
nicht wirklich lächeln, doch ich sehe ein freundliches Leuchten in ihrem Blick.
Schließlich beginnt sie zu singen, und der erste Wal stimmt in ihr Lied mit
ein.
    Die Besuche der
Meeresbewohner versetzen mich immer wieder in Erstaunen, auch wenn ich mir
nicht ganz erklären kann, warum eigentlich. Immerhin gibt es in diesen
Gewässern eine reiche Auswahl an Fischen. Bei so gut wie jedem Blick aus dem
Fenster sieht man Schwärme von leuchtend bunten Fischen, Mantarochen, Haie oder
Quallen. Unsere Stadt liegt in einem Graben, die Gebäude sind direkt aus den
Felswänden gehauen. Bis auf Sektor Drei – beim Gedanken an Sektor Drei kribbelt
es plötzlich so stark in meinem Bauch, dass ich überrascht eine Hand auf den
Magen drücke –, der liegt auf dem Boden des Grabens, den wir benutzen, um durch
die geothermale Energie der Lavaröhren die Stadt mit Strom zu versorgen.
    Die Wärme zieht die
verschiedensten Lebewesen an. Rund um die Stadt ist das Wasser strahlend blau,
da unsere Außenbeleuchtung es während des Tages erhellt, aber wenn ich genau
den richtigen Winkel erwische, kann ich weiter unten einen Hauch von Orange
erkennen. Dieses Leuchten übt eine seltsame Faszination auf mich aus.
    Ich stehe fast eine
Stunde lang am Fenster und beobachte meine Freunde, bis sie sich mit einem
Schlag der Schwanzflosse von mir verabschieden und in den blauen Weiten
verschwinden.
    Kaum sind sie weg,
erklingen hinter mir schnelle Schritte, dann geht der Alarm der DNA -Kameras los. Diese Geräusche sind so ungewöhnlich,
dass ich mich sofort verkrampfe und hastig herumwirbele, um die Tür gegenüber
zu fixieren. Nicht der Alarm bringt mich aus der Fassung – das schrille Heulen
schmerzt mir zwar in den Ohren, doch das System lässt sich so leicht auslösen,
dass es regelmäßig passiert –, sondern die hastigen Schritte. Wenn die
Dienstmädchen in ihrem Zeitplan hinterher sind, gehen sie manchmal etwas
schneller, aber in Elysium rennt eigentlich nie jemand.
    Vorsichtig spähe ich
an der Schierlingstanne vorbei, die mir die Sicht versperrt, und beobachte
erstaunt, wie ein völlig verdreckter Junge meines Alters durch die Eingangstür
in meinen Garten stürmt. Direkt hinter der Tür kommt er schlitternd zum Stehen,
sieht sich hastig um, hetzt dann nach links und verschwindet aus meinem
Blickfeld.
    Sekunden später
stürzen Wachen durch die Tür und laufen zu meiner Eskorte, die nicht besonders
aufmerksam war, seit sie mich hierher begleitet hat. Einen Moment lang
besprechen sie sich mit gedämpften Stimmen, dann wendet sich einer von ihnen an
mich: »Du musst sofort in deine Räumlichkeiten zurückkehren, Miss Evelyn. Hier
treibt sich möglicherweise ein Oberflächenbewohner herum.«
    Ich frage mich, wie
ihnen entgangen sein kann, dass gerade einer durch die Tür gekommen ist.
    Normalerweise wäre
ich der Bitte der Wachen nachgekommen; es ist einfacher, zu tun, was sie sagen,
und es macht mir in den meisten Fällen auch keine besonders großen Umstände.
Aber dieser Junge wirkte so verängstigt. Nicht primitiv und brutal, wie man es
mich gelehrt hat. Ich frage mich, ob er überhaupt ein Oberflächenbewohner ist.
Und selbst wenn … ich habe noch nie einen Oberflächenbewohner getroffen.
    Ich unterdrücke den
Impuls, in die Richtung zu sehen, in der er

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