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Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Titel: Renner & Kersting 03 - Mordsgier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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vor der eigenen Courage. Er freute sich über ihre Beherztheit und musterte das schmale Gesicht voller Stolz und Zärtlichkeit. Wenn nur die blauen Augen ihn nicht so schmerzlich an seine Frau erinnern würden. »Ich mag es. Außerdem war die Auswahl nicht groß. Wo steckt Mama eigentlich?«
    »Keine Ahnung. Sie ist gleich nach dem Mittagessen weg und hat nicht gesagt, wohin. Veronika schläft bei Yvonne.«
    »Was? Während der Woche? Hat Mama das denn erlaubt?«
    Franziska zuckte die Schultern. Er wollte aufbrausen, besann sich aber gerade noch rechtzeitig, dass es nicht gut war, Meinungsverschiedenheiten vor den Kindern deutlich zu machen. Also wechselte er das Thema.
    »Was ist los? Du bist doch nicht aus dem Bett gestiegen, um über unseren leeren Kühlschrank zu reden, oder? Das können wir auch morgen früh noch tun.«
    »Na ja, falls du morgen früh nicht schon wieder weg bist, wenn ich in die Schule muss. Mama hat ja auch keine Zeit mehr für uns.« Sie verzog ihre Mundwinkel zu einem traurigen Lächeln. »Aber du hast natürlich recht.« Pause. Ein neuer Anlauf. »Du kennst doch den Wohlfang?«
    »Meinst du deinen Deutschlehrer? Du hast von ihm erzählt. Hat er dir eine schlechte Note gegeben?« Er wollte ihr helfen, zum Punkt zu kommen.
    »Nee, ja doch, aber darum geht es nicht.« Umständlich setzte sie sich ihm gegenüber und griff nach dem letzten Stück Gurke. »Wusstest du, dass Wohlfang in dem Bus gesessen hat, der auf Gran Canaria einen Abhang runtergerutscht ist? Zwischen Weihnachten und Neujahr, glaube ich. Sogar Tote hat’s gegeben.«
    Er hatte es nicht gewusst und wenn, wieder vergessen. In den Zeitungen hatten die Namen der Beteiligten jedenfalls nicht gestanden.
    »Er war heute wieder in der Schule, den linken Arm in Gips und hat uns alles haarklein erzählt.«
    »So!« Herbert bezweifelte, ob das das richtige Thema für den Deutschunterricht einer sechsten Klasse war.
    Franziska schwieg. Irgendetwas ging ihr durch den Kopf.
    »Der Mann muss hart im Nehmen sein, wenn er so kurz nach einem traumatischen Erlebnis schon wieder arbeitet«, fügte ihr Vater auffordernd hinzu.
    »Hm, er war ganz cool, als er das erzählte. – Weißt du was? Ich glaube, es tat ihm gut, darüber zu reden. Ich hab’ mal so was gelesen, da ging es um ein Zugunglück und Feuerwehrleute. Jedenfalls hat er alles zwei-oder sogar dreimal erzählt, die ganze Stunde über, immer wieder und in der Parallelklasse auch – hat mir Juli in der Pause gesagt.« Wahrscheinlich traf ihre Vermutung zu. Für ihr Alter zeigte sie ungewöhnliches Einfühlungsvermögen und Verständnis für andere.
    »Und?« Instinktiv wusste er, dass die Geschichte noch nicht beendet war. »Was ist passiert?«
    »In der Stunde? Am Ende wurde er plötzlich laut, eh Mann, hat der geschrieen! Keiner könne sich vorstellen, wie das ist, den Tod vor Augen zu haben. Irgendwie seltsam. Erst schien er so cool und dann ... Einige haben sich richtig erschrocken, aber ein paar von den Jungen fanden das anscheinend komisch und haben laut gelacht.«
    Bei allem Verständnis, eine Schulklasse ersetzte nicht den Therapeuten. Herbert ärgerte sich über die Gleichgültigkeit der Schulleitung. Gleich morgen früh würde er anrufen und denen seine Meinung sagen. Wie konnte der Arzt nur einen derart traumatisierten Mann auf Kinder loslassen! Unverantwortlich war das!
    »Der hätte noch gar nicht wieder arbeiten dürfen nach dem Schock«, sagte er dann auch. »Es dauert lange, bis ein Mensch so eine Erfahrung bewältigt hat. Meist gelingt das nur mithilfe geschulter Therapeuten.«
    »Och, das war nicht so schlimm.« Eine leichte Betonung hatte auf dem ›das‹ gelegen.
    »Wieso? Gab es noch etwas?«
    »Hm.«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Lautlos rollten sie die Wangen hinunter. Herbert kannte das Mitleid heischende Schluchzen, wenn seine Tochter mal wieder etwas nicht durfte, was angeblich alle anderen Eltern ihren Kindern erlaubt hatten. Dies war anders. Und er erschrak. »Mädchen, was ist denn los?« Mit wenigen Schritten umrundete er den Tisch, beugte sich zu ihr hinunter und legte seinen Arm um ihre Schultern. »Erzähl’!«
    Sie kuschelte sich eng an ihren Vater, wischte sich über die Augen, holte tief Luft, und dann brach es aus ihr heraus.
    »Er ... er ist tot. In der Pause ... im Lehrerzimmer. Ganz plötzlich. Einfach so.« Wieder rollten Tränen. »Es ist doch nicht unsere Schuld, oder? Ich meine, wenn ... wenn wir netter zu ihm gewesen wären ... oder

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