Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Und eine erstklassige Espressomaschine. Pia rauschte sofort auf sie zu.
„Hallo, meine Süße! Schön, dass du mal wieder vorbei kommst“, begrüßte sie Leni.
„Du siehst ein bisschen abgekämpft aus. Aber das kriegen wir wieder hin. Espresso?“
Leni nickte dankbar und ließ sich auf einen seidenbezogenen Hocker plumpsen. Mit ihrem tadellos manikürten Fingernagel drückte Pia auf einen Knopf an der chromglänzenden Maschine.
„Hier, schau mal. Hab ich gerade reinbekommen. Da könnte was für dich dabei sein.“
Sie zeigte auf einen Ständer mit Sommerkleidern. Leni stellte sich wieder auf ihre schmerzenden Füße und inspizierte die Sachen. Ein Modell in Brauntönen sah viel versprechend aus.
„Wir haben heute Hochzeitstag. Da könnte ich mir eigentlich was Neues gönnen. Der Ausschnitt ist allerdings ein bisschen tief.“
Leni ließ den Stoff durch die Finger gleiten.
„Das kannst du gut tragen. Du bist doch noch nicht scheintot. Probier’s einfach mal an.“
Pia schob die Freundin in die Umkleidekabine und griff nach zwei Espressotassen.
„Du hast es wirklich gut“, seufzte sie. „Ich hätte auch gern jemand, der mich verwöhnt.“
„Na ja, Thomas ist schon ein Glücksfall“, bestätigte Leni nicht ohne Stolz.
„Aber so einfach ist es nun auch wieder nicht mit ihm. Manchmal komme ich mir vor wie weggesperrt. Er will ja absolut nicht, dass ich arbeiten gehe. Nicht mal jetzt, wo Moni flügge ist. Es hat mir damals leid getan um meinen guten Job bei der Sparkasse.“
„Sei froh! Alles wird immer hektischer, da kriegt man richtig Drehschwindel. Ich würde gerne mal die Füße hoch legen und nur überlegen müssen, was es zum Abendessen gibt.“
Leni runzelte die Stirn. Das hörte sich irgendwie nicht sehr prickelnd an. War das alles, worum sich ihr Leben drehte? Sie schob den Vorhang zur Seite.
„Hab ich’s doch gesagt. Das steht dir wirklich gut“, flötete Pia.
„Meinst du wirklich?“
Zweifelnd drehte sich Leni vor dem Spiegel hin und her.
„Ausgesprochen sexy!“
Das würde Thomas bestimmt gefallen. Sie selbst kam sich ein bisschen wie verkleidet vor.
„Du kriegst auch einen Freundschaftspreis.“
Bepackt mit einer weiteren Tüte machte sich Leni wenig später auf den Heimweg.
Leise klangen die ersten Töne von ‚Clair de Lune’ durch das Zimmer. Lenis Finger huschten über die Tasten ihres geliebten Klaviers. Debussy hatte es wirklich in sich. Als sie an einer besonders komplizierten Stelle nicht weiter kam, wechselte sie mit einem Schulterzucken zu ‚Summertime’. Das war leichter zu spielen. Leise sang sie die Melodie mit. „Summertime, and the living is easy.“
Ein Summton aus dem Keller verkündete, dass die Waschmaschine ihr Programm beendet hatte. Leni klappte den Klavierdeckel zu und stand auf, um die Wäsche zu holen. Im Vorbeigehen stellte sie das Radio an und pfiff den Schlager mit.
Ächzend stapfte sie wenig später mit einem schweren Korb die Kellertreppe hoch. Die Plastikschlappen an ihren Füßen knallten bei jedem Schritt, als wäre sie mit Schwimmflossen unterwegs. Gut, dass Thomas das nicht hörte. Er liebte es, wenn sie sich elegant und ein bisschen verrucht zurecht machte. Aber sie fand sich nicht besonders sexy. Mit dir kann man Pferde stehlen, sagte Thomas manchmal. Das bedeutete ihr viel mehr als ein paar leidenschaftliche Stunden.
Auf der Terrasse war es heiß. Schon nach den ersten Wäschestücken, die sie akkurat auf den Ständer hängte, wischte sie sich die Schweißtropfen vom Gesicht. Ihre kurzen, braunen Haare klebten am Kopf.
Voller Stolz betrachtete sie ihren Garten. Er war wie eine Oase der Ruhe in der quirligen Großstadt. Und wenn sie mit beiden Händen in der Erde wühlen konnte, war sie glücklich. Seit Monika nicht mehr zu Hause wohnte, hatte sie noch mehr Zeit dafür. Thomas machte sich manchmal darüber lustig, aber das war ihr egal.
Sie blinzelte in den Sommerhimmel. Vom Taunus zogen ein paar Wolkentürme heran. Aber das Wetter würde bestimmt halten. Ein romantischer Abend auf der Terrasse mit schönem Essen, Wein und leiser Musik, sie freute sich sehr darauf.
Es gab noch einiges zu tun, aber wie immer hatte sie alles im Griff. Sie langte nach dem nächsten Teil. Es war ein weißes Hemd, das sie erst vor kurzem für Thomas gekauft hatte. Sie strich die Säume glatt und angelte nach zwei Wäscheklammern. Da sah sie den Fleck. Rot. Verschmiert. Sie zog den nassen Stoff auseinander und untersuchte ihn genauer. Es waren
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