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Requiem für eine Sängerin

Requiem für eine Sängerin

Titel: Requiem für eine Sängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Furcht in ihren Augen, aber sie blieb stumm. «Ihr Alibi für einen der früheren Morde ist unzureichend, und Sie sind unmittelbar vor dem versuchten Mord an Leslie Smith nach Großbritannien zurückgekehrt – ohne eine Erklärung.»
    Einen Moment malte sich Erleichterung in Andersons Gesicht, dann fing sie an zu lachen – ein schreckliches, gekünsteltes, schrilles Meckern.
    «Sie glauben …» Sie holte Luft. «Sie glauben, dass ich das war? Dass ich hinter diesen schrecklichen Vorkommnissen stecke? O Scheiße!» Sie lachte noch lauter. «Das ist zu viel. Es ist jämmerlich.»
    Unvermittelt schlug ihre Hysterie in Wut um, sie drehte sich mit blitzenden Augen zu Fenwick um, und ihr Ton wurde gemein. «Sie Narr, Sie verdammter Narr. Ich bin nicht die Mörderin, ich habe diese unglückseligen Weiber nicht umgebracht. Ich bin die Zielscheibe! Begreifen Sie das nicht? Er wärmt sich nur auf! Sie wollen wissen, warum ich Frankreich verlassen habe, warum ich niemandem gesagt habe, wohin ich gehe? Weil ich kopflos war vor Angst. Er hatte mich dort gefunden, ich war ganz sicher. Und ihr, ihr jämmerlichen Jungs in Blau, ihr lauft herum und sucht nach mir, weil ihr mich für die Mörderin haltet! Mein Gott, wenn es nicht so traurig wäre, würde ich lachen.»
    Ihre Wut war sengend, ihr Hohn verheerend. Jede Zuneigung, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte, verdorrte unter ihrem Blick. Fenwick war plötzlich schrecklich müde. Er hörte seine Stimme wie die eines Fremden, der das Gespräch fortsetzte, als wäre nichts geschehen.
    «Warum sind Sie ein potenzielles Opfer?»
    Es folgte eine lange Pause; Anderson stand auf und ging zum Fenster.
    «Warum ich? Ja, das ist eine gute Frage, warum ich?» Ihre Hysterie hatte sich gelegt.
    Fenwick betrachtete ihren Rücken, sah die verkrampften Schultern. Er spürte, dass in ihr ein heftiger Widerstreit vonstatten ging. Schließlich hob sie eine Hand, massierte sich den Nacken, drehte sich um und stellte ihre gewohnte, entspannte Anmut zur Schau. «Sie müssen die ganze Geschichte verstehen, Andrew, von Anfang an.» Sie setzte sich wieder neben ihn und begann ihre lange Schilderung.
    «Mir ging es gut, Andrew. Anfangs natürlich nicht, o nein. Ich wurde in eine wehleidige, engstirnige Familie geboren – ich war die enttäuschende Tochter, nicht der ersehnte Junge. Mein Vater hat mir nie verziehen, meiner Mutter war es irgendwann einerlei. Ich hoffte – hoffte so sehr – , dass sie mich lieben und den Jungen vergessen würden, den sie sich gewünscht hatten. Doch das haben sie nicht. Akzeptiert haben sie mich, ganz allmählich. Ich wuchs heran und wurde groß und knochig, trainierte hart, trieb Sport und stahl Milch von Türschwellen und Obst aus Vespertüten in der Schule, um zuzunehmen. Ich wurde meines Glückes Schmied. Ich versuchte alles, einfach alles, damit ich auffiel; sie sollten merken, dass sie keinen Sohn brauchten. Die Vergehen waren stets geringfügig, die Geschenke, die ich nach Hause brachte, wurden nie hinterfragt. Meine Auszeichnungen und Pokale vom Sport blieben jeweils genau eine Woche auf dem Kaminsims stehen, dann verschwanden sie, und ich erfuhr nie, wohin. Und dann wurde alles anders; Pubertät und Feminismus! Ich rebellierte – wenn auch im Geheimen. Ich war eine heimliche New-Age-Suffragette. Zu Hause sehnte ich mich nach ihrer Zuneigung, öffentlich verfluchte ich sie wegen ihrer Dummheit.»
    Eine Fremde sah Fenwick mit Octavias Augen an.
    «Hass ist unglaublich befreiend – haben Sie das gewusst? Und er verzeiht einem jegliches Defizit. Plötzlich darf man sein, wie man will. Es war herrlich. Ich fand andere Frauen, andere Mädchen, die ebenfalls hassten, und plötzlich war es kein Hass mehr, sondern ein Feldzug! Das Gefühl von Macht war großartig. Mit vierzehn sah ich aus wie neunzehn und fühlte mich wie fünfzig. Aber ich fing an, an mich selbst als Person zu glauben, als Frau, nicht als Müllhalde für ungehobelten Sarkasmus und Projektionsfläche für die Enttäuschungen anderer Leute.»
    Sie holte tief Luft; endlich die Wahrheit zu sagen war offensichtlich eine Erleichterung für sie, aber selbst jetzt zögerte sie noch. Sie sah Fenwick prüfend ins Gesicht, während sie sich erneut den Nacken massierte.
    «Und dann war da Julia. Sie war Anfang zwanzig, in mei nen Augen sehr weltgewandt, Helferin im Jugendclub. Wir … wir wurden ein Liebespaar. Für mich war es das erste Mal, und sie liebte mich sehr. Sie sagte mir, wie schön ich sei! Bei

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