Requiem für eine Sängerin
bleiben und verdrängte seine Sorge um Fenwick mit rastloser Aktivität.
Er hinterließ eine Nachricht für den Assistant Chief Constable und hoffte, der würde die aktuellsten Informationen über Fenwick haben, aber als er ihn zurückrief, bestätigte er nur Coopers Entscheidung zu bleiben. Er wusste nichts Neues über Fenwick oder die anderen Polizisten, die sich zum Zeitpunkt der Explosion im Haus aufgehalten hatten. Er hatte persönlich den Oberbefehl über die gesamte Operation übernommen.
Jason MacDonald empörte sich über das Wort «Schmierfink». Er hatte nicht zwei Jahre harter Arbeit bei der Lokalzeitung absolviert, um in einem Beruf zu arbeiten, der durch geringschätzige Bezeichnungen abgewertet wurde. Aber er war auch nicht mehr der Idealist von damals, als er neunzehn und die Tinte auf seinem Diplom der Fachhochschule für Medien kaum getrocknet war. Er hatte den Überblick über die Hundeausstellungen, stolzen Mütter, Autounfälle und trauernden Hinterbliebenen und anderen lokalen Ereignisse verloren, über die er berichtet hatte, während er auf seinen großen Durchbruch wartete.
Am Donnerstagnachmittag steckte er wieder in einer Klemme, die er persönlich «Zeit totschlagen» getauft hatte. Der Lokalredakteur war auf die geniale Idee gekommen, dass er Hintergrundinformationen über die Vorbereitungen für Octavia Andersons großen Auftritt sammeln sollte. Er hatte bereits ein Stück mit dem Titel «Hiesiges Schulmädchen macht Karriere» geschrieben, mit alten Fotos und Kommentaren von Lehrerinnen und Klassenkameradinnen, und gehofft, letzte Meldungen sammeln zu können. Stattdessen hing er nun gelangweilt und uninspiriert in einem Kloster herum.
In der Kathedrale herrschte reges Treiben, Touristen schlenderten zwischen den letzten verbliebenen Gerüststangen herum. MacDonald hatte ein Interview zu den jüngsten Renovierungsarbeiten gemacht und einige böse Bemerkungen darüber aufgezeichnet, was für ein Unsinn es sei, das Gerüst für teures Geld wegen einer einzigen Aufführung abzubauen, und überlegte gerade, ob er im Gartenrestaurant eine Tasse Tee und ein Stück Obstkuchen zu sich nehmen sollte.
Als er langsam den überdachten Kreuzgang entlangging, stürmte ein Mann mittleren Alters in einer Tweedjacke an ihm vorbei, offenbar um den Empfang seines Handys zu verbessern. MacDonald, von Natur aus neugierig, folgte ihm und hielt sich in seiner Nähe auf. Er konnte nur wenig von der einseitigen Unterhaltung verstehen, aber der ganze Zwischenfall schien hinreichend interessant, dass er seine Tasse Tee verschob und dem Mann folgte, als er in die Kathedrale zurückging.
MacDonald hörte zu, wie der Mann in der geflickten Tweedjacke sich mit einem der sitzenden Touristen unterhielt. Sie steckten die Köpfe zusammen, aber er hörte doch die Worte «Opfer», «Krankenhaus» und möglicherweise sogar «Bombe». Fest entschlossen blieb er, wo er war. Von seinem Beobachtungsposten aus beobachtete MacDonald das weitere Vorgehen des Mannes. In den folgenden fünf Minuten redete er mit fünf weiteren «Touristen», von denen jeder einem speziellen Teil der Kathedrale besondere Aufmerksamkeit widmete.
Zuerst hatte er angenommen, dass es sich um Enthusiasten handelte, die die Architektur oder eines der zahlreichen Kunstwerke studierten. Nach eingehender Betrachtung wurde ihm klar, dass es sich nicht um Studierende handelte, sondern um Suchende. Alle suchten sie so unauffällig wie möglich nach irgendetwas. Seine Daumen kabbelten. Fasziniert und aufgeregt behielt er die Männer im Auge. Ihm fiel auf, dass sie sich auf eine bestimmte Stelle beschränkten, die sie gründlich absuchten, worauf sie zur nächsten gingen. Sie arbeiteten nach einem gitterförmigen Muster. Etwas ging hier vor sich, und der Mann in der geflickten Tweedjacke stand im Mittelpunkt der Angelegenheit.
Exakt um Viertel nach drei verließ der Mann die Kathedrale, und MacDonald folgte ihm, diesmal diskret, wartete und las in einem Reiseführer, während der Mann wählte.
«Hallo? Ja, hier ist Cooper. Verbinden Sie mich, ja?»
Er ging auf und ab, während er wartete. «Ja? Hallo … hallo. Ja, Sir, Cooper hier.» Wegen der schlechten Verbindung musste er laut sprechen, sodass MacDonald, der mucksmäuschenstill im Schatten stand, jedes Wort mitbekam.
«Was für Neuigkeiten?» Es folgte eine lange Pause. MacDonald sah, wie die Schultern des Mannes nach unten sanken und seine Knie fast nachgaben. Er schlug die freie Hand vor den Mund.
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