Requiem für eine Sängerin
aufhalten. Es wird Sie freuen zu hören, dass es dafür eine Vielzahl von Freiwilligen gab. Bis dahin geht die Suche weiter.»
«Wenigstens ein Trost.» Er drehte sich zu Nightingale um, die bemerkenswert durchtrainiert und gut aussah. «Wie steht es bei Ihnen?»
Sie lächelte und zeigte den nach oben gerichteten Daumen, dann formte sie die Worte: «Gelangweilt, aber okay.»
«Wie geht es ihr?» Es war eine grob unverhohlene Frage, aber weder Cooper noch Nightingale zeigten eine Reaktion darauf.
«Bestens; sehr gut, wenn man bedenkt, unter welcher Belastung sie steht. Sie ist ein echter Profi. Ich bewundere sie.»
«Ich muss wegen Montag mit ihr reden. Ich werde irgendwann am Wochenende vorbeischauen.» Er drehte sich wieder zu Cooper um. «Sie werden ihn nie vor Montag finden, das wissen Sie.»
«Wie kommen Sie darauf, dass ich suchen werde? Ich bleibe bei Ihnen, Sir.»
Der Assistant Chief Constable musste wütend sein. Wie viele Leute hatten dasselbe mangelnde Vertrauen in seine Theorie gezeigt und waren das Risiko eingegangen, seinen Zorn auf sich zu ziehen? Als er Cooper ins Gesicht sah, stellte er fest, dass das den Mann nicht interessierte. Von nun an würde er in der Kathedrale sein, und nirgends sonst.
Cooper erzählte Fenwick niemals die Einzelheiten seiner Unterhaltung mit dem Assistant Chief Constable, allerdings verriet er sie Nightingale in einer schwachen Stunde. Er war kein wortgewandter Mann, aber unter Druck konnte er findig sein, und seine Argumente hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
«Sehen Sie, Sir», hatte er unterwürfig gesagt, «ganz unter uns, ich finde es wichtig, dass ich Fenwick beschatte. Es sind nur zweieinhalb Tage – bis nach dem Konzert –, und man kann nicht sagen, wie sein Zustand genau ist. Wir wollen doch nicht, dass er die Ermittlungen aus Versehen verdirbt.»
Der Assistant Chief Constable betrachtete Cooper mit einem «altmodischen Blick», wie Coopers Mutter einst gesagt hätte.
«Nun gut, Sergeant, bleiben Sie bei ihm. Aber machen Sie keinen Fehler, ich behalte das Kommando über den gesamten Einsatz – dazu gehört auch das Team in der Kathedrale, das ich übrigens mit Ersatzleuten bestücken möchte. Die bisherigen Ermittlungsteams werden intakt bleiben.»
Als Cooper ging, dachte er sich nichts dabei, als er den Assistant Chief Constable seine Sekretärin bitten hörte, sie möchte ihn mit dem Verteidigungsministerium verbinden, und er erwähnte diese Tatsache auch gegenüber Nightingale und Fenwick nicht.
44
Fenwick schrak aus dem Schlaf hoch und schaltete den Wecker aus. Die Digitalanzeige verriet ihm, dass es fünf Uhr war. Etwas stimmte nicht. Er lag mit schlaftrunkenem Verstand im Bett und versuchte langsam dahinter zu kommen, was ihn quälte. Er hörte ein konstantes Geräusch im Hintergrund, ein leises Rauschen, das eine willkommene Abwechslung zum Ploppen und Knacksen des Vortages brachte. Sonst herrschte Stille.
Plötzlich fuhr er im Bett hoch und stieß sich die Hand am Kopfteil. Er hörte das Klatschen der Handfläche auf dem Holz. Er konnte wieder hören; der Wecker hatte ihn geweckt, das Bettzeug raschelte, wenn er sich bewegte, das leise Rauschen war nichts anderes als der Regen draußen. Irgendwann in der Nacht hatte sich das Gehör in seinem rechten Ohr wieder eingestellt.
Es war Sonntagmorgen; keine vierzig Stunden mehr bis zu Octavias Auftritt.
Das alte Haus lag im Schatten alter, nasser Limonenbäume, die traurig im für die Jahreszeit ungewöhnlich kalten Septemberregen tropften. Niemand hatte sie zurückgeschnitten, und nun nahmen sie dem winzigen Garten jegliches Licht, sodass es keine Vegetation auf dem kahlen Fleck gab, abgesehen von einem vorwitzigen Gänseblümchen, das aus einer Ritze im Asphaltweg ragte.
In dem Haus waren die Vorhänge noch zugezogen, als Fenwick stehen blieb und das verrottete Holztor in der niederen, verfallenen Backsteinmauer öffnete. Er zwängte sich an Zweigen vorbei, die nach ihm zu greifen schienen, um zur Tür zu gelangen, und drückte den gelben Klingelknopf. Er stützte sich auf das linke Bein und versuchte, nicht auf die konstanten Schmerzen im rechten Knie zu achten.
Nach einer ganzen Weile wurde der Vorhang der kleinen Glasscheibe in der Tür zurückgezogen und er hörte mehrere Schlösser und Riegel klirren. Nightingale stand im Bademantel vor ihm, kein Make-up, ihre neuerdings kurz geschnittenen Haare standen in alle Richtungen ab. Sie sah aus wie sechzehn.
«Was ist los, Sir?»
«Ich
Weitere Kostenlose Bücher