Requiem fuer einen Henker
nach.
»Ich frage mich, wohin er wollte.«
»Das musst du allein rauskriegen. Wülste noch einen Kaffee?«
Draußen war es ganz dunkel geworden, der Wind heulte unangenehm, und irgendwo schepperte ein loses Stück Blech immer wieder gegen eine Mauer.
»War dieser Geländewagen ein schwarzer Mitsubishi-Pajero?«
»Da kenne ich mich nicht aus.«
»Aber schwarz war er?«
»Ja.«
Mir war auf einmal eiskalt.
»Ich glaube, ich muss jetzt gehen.«
»Ja, und der Koffer? Nimmst du den mit?«
»Ja, das ist mit Sicherheit das Beste.«
»Wenn die Bullen rauskriegen, woher du den hast, nehmen die mich hoch.«
»Von mir erfahren die nichts.«
»Ja, gut. Und du lässt dich mal wieder sehen?«
»Ich muss auf jeden Fall noch mal kommen. Ich fotografiere dich erst mal hier. Veröffentlicht wird nichts ohne Löhnung, versprochen.« Ich fotografierte ihn, und er strahlte in die Kamera, als wäre es sein Kommunionsfoto.
»Ist doch toll, oder? Du schreibst deine Geschichten, und wenn du die Schnauze voll hast, kommst du her und trinkst deinen Kaffee, und wir klönen.«
»Ja, nicht schlecht.« Er war ein guter Typ, und wir gaben uns zum Abschied feierlich die Hand.
Dann nahm ich den Koffer und marschierte los. Es war schneidend kalt. Ich war aufgeregt und hundemüde, aber mein Kopf arbeitete weiter. Natürlich wusste ich, wohin Lewandowski gewollt hatte: Zu seinem Führungsmann Harald Forst in die Thomasstraße 38 b. Und der? Natürlich, das war es: Der hatte ihn im Regen stehen lassen. Aber warum?
Ich war inzwischen in einer etwas zivilisierteren Gegend, und als ich eine Telefonzelle sah, beschloss ich, Pjotr anzurufen. »Ich habe bei einem Penner Lewandowskis Koffer für den Notfall ausgekramt. Es wäre gut, wenn Sie morgen zu mir in die Eifel kämen.«
Wenn er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Er sagte bloß: »Der Koffer ist es also! Baumeister, hauen Sie schnell da ab. Reimer und Strahl sind in der Stadt und suchen etwas. Das kann nur dieser Koffer sein. Hauen Sie also um Gottes willen ab!«
Ich hängte ein. Mir war ganz mulmig, und den gesamten Weg zurück zu meinem Wagen kam ich mir vor wie ein Kind, das in den dunklen Kohlenkeller muss. Als ich endlich bei dem kleinen Opel ankam, war ich erleichtert. Ich freute mich auf das Gesicht, das die Baronin machen würde, wenn ich ihr den Koffer zeigte. Ich wollte gerade erleichtert starten, da kam der schwarze Mitsubishi wie ein böser Käfer um die Ecke gekrochen. Sie saßen beiden vorne, Gig Reimer und Ellen Strahl.
Ich hätte mich ohrfeigen können. Natürlich, sie mussten aufräumen, sie mussten den letzten deutlichen Hinweis auf Alfred Lewandowski von dieser Erde tilgen.
Ich duckte mich und wartete, bis sie vorbei waren. Dann fuhr ich ganz langsam und ohne Licht hinter ihnen her. Sie hatten Zeit, und offenbar wussten sie genau, wohin sie wollten. Ich überlegte fieberhaft, was ich tun konnte, um vor ihnen dazusein. Ich musste etwas unternehmen, irgendetwas!
Ich gab Gas und versuchte, in einer Parallelstraße abzukürzen, aber ich fuhr eine Querstraße zu weit. Als ich gewendet hatte, waren sie weit vor mir, und es gab keine Möglichkeit mehr, ungesehen an ihnen vorbeizukommen. Ich fuhr noch immer ohne Licht.
Ihre Scheinwerfer tasteten sich an der Müllkippe vorbei, erfassten die Siedlungsstraße und erloschen - weit vor dem Neubau des harmlosen, wehrlosen Harmonika-Karl. Sie stiegen aus und gingen zu Fuß weiter, Reimer auf der rechten Straßenseite, die Strahl auf der linken. Sie hatten höchstens noch fünfzig Meter vor sich. Ihre Schatten glitten schnell durch die Lichthöfe der Straßenlaternen.
Verzweifelt klappte ich Lewandowskis Koffer auf und starrte auf das bizarre Gewehr. Ich würde es nie schnell genug zusammensetzen können, wenn überhaupt je, und dann könnte ich nichts damit anfangen. Panikartig griff ich mir eine Smith and Wesson und kurbelte das Fenster herunter. Dann gab ich Gas, der Wagen schoss nach vorne, machte einen Satz und blieb bis zur Achse in einem Schlammloch stecken.
Ich fluchte und sah, wie die beiden herumwirbelten. Dann mussten sie wohl entschieden haben, dass der Koffer dringender sei, denn wie auf ein unhörbares Kommando stürmten sie auf den Neubau zu. Sie verschwanden im Schatten des Hauses, und es wurde unheimlich still.
Ich war rasend in meiner Hilflosigkeit, und mir war alles egal. Wie ein Amokläufer sprintete ich hinter den beiden her, den Revolver in der Hand. Dabei wusste ich nicht einmal, ob ich
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