Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
still – als hielte die Landschaft wie abwartend den Atem an. Nachdem sein Herzschlag zu einem normaleren Rhythmus zurückgefunden hatte, stellte Leon zu seiner Überraschung fest, dass er sich immer noch beunruhigt fühlte – mehr noch, ängstlich sogar.
Die Morde in Raccoon. Waren einige dieser Menschen nicht durch Tierattacken ums Leben gekommen? Wildhunde oder so was? Vielleicht war das gerade ja niemandes Haustier gewesen …
Ein verstörender Gedanke – und noch verstörender war das plötzliche Gefühl, dass sich der Hund immer noch in der Nähe aufhielt und ihn vielleicht aus dem Dunkel zwischen den Bäumen heraus beobachtete.
Willkommen in Raccoon City, Officer Kennedy. Geben Sie acht auf Dinge, die vielleicht ein Auge auf Sie werfen …
„Sei kein Arschloch“, wies sich Leon selbst zurecht, und der keinen Unfug duldende, erwachsene Tonfall seiner Stimme ließ ihn sich ein wenig besser fühlen. Er fragte sich oft, ob er seinen kindlichen Fantasien je gänzlich entwachsen würde.
Wie ein Kind davon träumen, Bösewichte zu fangen oder sich dann mordende Hundemonster ausdenken, die im Wald lauern – wie wär’s, wenn wir uns mal unserem Alter entsprechend verhalten würden, hm, Leon? Du bist ein Cop, Herrgott noch mal, ein Mann …
Er startete den Motor und stieß auf die Straße zurück, ignorierte das seltsame Unbehagen, das es der tadelnden inneren Stimme zum Trotz irgendwie geschafft hatte, von ihm Besitz zu ergreifen. Er hatte einen neuen Job und eine nette Wohnung in einer hübschen kleinen, aufstrebenden Stadt; er war kompetent, klug und sah nicht schlecht aus; so lange er seine Einbildungskraft im Zaume hielt, würde alles bestens sein.
„Und genau das habe ich vor“, knurrte er und zwang sich zu einem Grinsen, das sich unangemessen anfühlte, aber plötzlich unabdingbar schien für seinen inneren Frieden. Er war auf dem Weg nach Raccoon City, in ein vielversprechendes neues Leben – es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen, nicht den geringsten …
Claire war erschöpft, sowohl körperlich als auch emotional, und die Tatsache, dass ihr seit ein paar Stunden auch noch der Hintern wehtat, machte die Sache nicht besser. Das Wummern der Harley schien sich tief in ihren Knochen festgesetzt zu haben, ein physisches Gegenstück zu den Schmetterlingen in ihrem Bauch – und am schlimmsten war es, natürlich, in ihrem außerordentlich wund gescheuerten und heißen Arsch. Zudem wurde es dunkel und sie trug, idiotisch wie sie war, ihre Lederkluft nicht; Chris würde stocksauer sein.
Er wird sich die Lunge aus dem Hals schreien, und es wird mich nicht mal kratzen. Gott, Chris, bitte sei da, damit du mich anschreien kannst, weil ich so eine unvernünftige Närrin bin …
Die Harley brummte die dunkle Straße entlang. Die ansteigenden Hügel und schattenumhüllten Bäume warfen das Geräusch des Motors zu Claire zurück. Sie nahm die Kurven mit aller gebotenen Vorsicht, sich der Verlassenheit des gewundenen Highways nur zu bewusst – wenn sie stürzte, konnte es lange dauern, bis jemand vorbeikam.
Als ob es darauf ankäme. Leg einen Sturz ohne deine Lederklamotten hin, und sie kratzen dich mit ’nem Fensterwischer häppchenweise vom Asphalt.
Es war dumm gewesen, sie wusste, dass es dumm gewesen war, so beschissen übereilt aufzubrechen und sich nicht einmal die Mühe zu machen, sich vernünftig anzuziehen – aber Chris war etwas zugestoßen. Zum Teufel, der ganzen Stadt mochte etwas zugestoßen sein. Im Laufe der letzten paar Wochen war die Vermutung, dass ihr Bruder in Schwierigkeiten steckte, zur Gewissheit geworden – und ihre Anrufe heute morgen hatten diese Gewissheit noch untermauert.
Niemand daheim. Nirgends war jemand daheim. Als sei ganz Raccoon umgezogen und hätte vergessen, eine Nachsendeadresse zu hinterlassen.
Es war definitiv unheimlich, obwohl sie sich einen Scheiß um Raccoon scherte. Was zählte, war, dass Chris dort war, und wenn ihm etwas Schlimmes passiert war –
Sie konnte und wollte nicht weiter in diese Richtung denken. Chris war alles, was sie noch hatte. Ihr Vater war bei seiner Arbeit auf dem Bau ums Leben gekommen, als sie beide noch Kinder gewesen waren, und nachdem ihre Mutter vor drei Jahren bei einem Autounfall gestorben war, hatte Chris sein Bestes getan, um die Elternrolle zu übernehmen. Obwohl er nur ein paar Jahre älter war, hatte er Claire geholfen, ein College auszusuchen und einen ordentlichen Therapeuten zu finden – er schickte ihr sogar
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