Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
allmonatlich etwas Geld, zusätzlich zu dem, was die Versicherung ausbezahlte; er nannte es „Taschengeld“. Und obendrein rief er sie alle paar Wochen mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks an.
Nur hatte er in den vergangenen anderthalb Monaten überhaupt nicht angerufen, und er hatte sich auch auf keinen von Claires Anrufe hin gemeldet. Sie hatte versucht, sich einzureden, dass es albern sei, sich so zu sorgen – vielleicht hatte er ja endlich ein Mädchen kennengelernt, oder es hatte irgendetwas mit dieser Suspendierung diverser S. T. A. R. S.-Mitglieder zu tun, worauf auch immer sie basierte. Aber nach drei unbeantworteten Briefen und Tagen, in denen sie nur auf das Klingeln des Telefons gewartet hatte, hatte sie an eben diesem Nachmittag endlich das RCPD angerufen und gehofft, dass doch zumindest dort jemand wissen müsse, was vorging. Doch sie hatte nur das ständige Besetztzeichen zu hören bekommen.
In ihrem Zimmer im Studentenwohnheim sitzend und jenes seelenlose mechanische Blöken im Ohr, hatte sie angefangen, sich wirklich Sorgen zu machen. Selbst eine kleine Stadt wie Raccoon musste doch ein Voicemail-System für Notrufe haben. Der rationale Teil ihres Denkens riet ihr, nicht in Panik zu verfallen, sagte ihr, dass eine gestörte Leitung nichts war, weswegen man ausrasten müsse – doch da hatte ihr gefühlsgeleitetes Ich auch schon aufbegehrt. Mit zitternden Händen hatte sie in ihrem Adressbuch geblättert und die Nummern der wenigen ihr bekannten Freunde von Chris gewählt, Leute und Orte, die er ihr anzurufen aufgetragen hatte, sollte es je einen Notfall geben und er nicht zu Hause sein – Barry Burton, Emmy’s Diner, ein Cop namens David Ford, den sie nie kennengelernt hatte. Sie probierte sogar Billy Rabbitsons Nummer, obwohl Chris ihr gesagt hatte, dass er vor ein paar Monaten verschwunden sei. Und außer eines überladenen Anrufbeantworters unter David Fords Anschluss hatte sie nichts als Besetztzeichen gehört.
Als Claire die Telefonierversuche aufgab, hatte sich ihre Sorge in etwas verwandelt, das an Panik grenzte. Die Fahrt von der Universität nach Raccoon City dauerte nur etwa sechseinhalb Stunden. Claires Zimmergenossin hatte sich ihre Motorradausrüstung geborgt, um mit ihrem neuen Freund, einem Biker, auszugehen, aber Claire hatte einen zusätzlichen Helm – und mit diesem Gefühl, das nicht ganz Panik war und durch ihr furchterfülltes Denken wirbelte, hatte sie sich den Helm kurzerhand geschnappt und war losgefahren.
Dumm – vielleicht. Impulsiv – definitiv. Und wenn Chris in Ordnung ist, können wir bis die Kühe eingetrieben werden darüber lachen, wie lächerlich paranoid ich bin. Aber so lange ich nicht weiß, was los ist, werde ich keinen Augenblick Ruhe finden.
Der letzte Rest von Tageslicht sickerte aus dem Streifen wolkenlosen Himmels über ihr, doch ein wächserner, beinahe voller Mond und der Scheinwerfer der Softail spendeten ihr genug Licht – mehr als genug jedenfalls, um das kleine Schild auf der linken Straßenseite lesen zu können:
RACCOON CITY 10.
Sich einredend, dass Chris okay war, dass sich, wenn in Raccoon etwas Merkwürdiges passiert wäre, inzwischen irgendjemand darum gekümmert hätte, zwang Claire ihre Konzentration wieder auf das Lenken des schweren Motorrads. Bald würde es Nacht sein, aber sie würde Raccoon erreichen, ehe es zu dunkel war, um noch sicher zu fahren.
Ob Raccoon City sicher war, würde sie früh genug herausfinden.
DREI
Als Leon die Außenbezirke der Stadt erreichte, blieben ihm noch zwanzig Minuten. Er entschied, dass ein warmes Abendessen warten musste. Von seinen früheren Besuchen des Reviers wusste er, dass es dort ein paar Automaten gab, aus denen er sich etwas ziehen konnte, das ihm über die Runden helfen würde. Der Gedanke an alte Süßwaren und Erdnüsse wollte seinem knurrenden Magen nicht recht behagen, aber es war seine eigene verdammte Schuld, dass er den New Yorker Verkehr nicht in seine Planung einbezogen hatte.
Die Einfahrt in die Stadt half, seine immer noch angespannten Nerven zu beruhigen. Er passierte die wenigen kleinen Farmen, die östlich der Stadt lagen, den Festplatz und die Lagerschuppen und schließlich den Truck-Stop, der die Grenze zwischen dem ländlichen und städtischen Raccoon markierte. Etwas an der Gewissheit, dass er in Kürze auf diesen Straßen Streife fahren und für ihre Sicherheit sorgen würde, erfüllte ihn mit überraschendem Wohlgefühl und mehr als nur ein wenig Stolz. Die
Weitere Kostenlose Bücher