Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
hinstreckte, ihren eigenen begrub, und das Zischen seiner monströsen Krallen fuhr herab, schmolz sich durch ihren Körper, brachte sie um … nein …
Nein.
„Nein!“
Jill öffnete die Augen, das Wort noch auf ihren Lippen, das Wort, das der einzige Laut in der Stille ihres Zimmers war. Es war kein Schrei, wie sie ihn sich vorgestellt hatte, sondern das schwache, erstickte Heulen einer verzweifelten Frau, die gefangen war in einem Alptraum, aus dem es kein Entkommen gab.
Und das bin ich. Schließlich war keiner von uns schnell genug.
Einen Moment lang blieb sie ruhig liegen, atmete tief ein und aus und zog die Hand von der geladenen Beretta unter ihrem Kissen zurück. Diese Bewegung war ihr zum Reflex geworden, und sie bedauerte es nicht, ihn entwickelt zu haben.
„Aber nutzlos gegen Alpträume“, murmelte sie und setzte sich auf. Seit Tagen sprach sie jetzt schon mit sich selbst – manchmal dachte sie, das sei das Einzige, was ihre geistige Gesundheit noch bewahrte. Graues Licht kroch durch die Jalousien herein und tauchte das kleine Schlafzimmer in Schatten. Die Digitaluhr auf dem Nachttisch funktionierte, und eigentlich hätte Jill froh sein müssen, dass es wenigstens noch Strom gab aber es war auch schon später, als sie gehofft hatte – fast drei Uhr am Nachmittag – , und das beunruhigte sie.
Sie hatte annähernd sechs Stunden geschlafen, länger als an den vergangenen drei Tagen. In Anbetracht dessen, was draußen vorging, konnte sie sich eines Anflugs von Schuldgefühl nicht erwehren. Sie hätte da draußen sein und mehr tun sollen, um diejenigen zu retten, die noch zu retten waren …
Hör schon auf damit, du weißt es doch besser. Wenn du zusammenbrichst, kannst du niemandem mehr helfen. Und die Leute, denen du geholfen hast …
Daran wollte sie nicht denken, jetzt nicht. Als sie es heute Morgen endlich zurück an den Stadtrand geschafft hatte, nach fast achtundvierzig schlaflosen Stunden, in denen sie „geholfen“ hatte, war sie am Rand eines Zusammenbruchs gewesen – und gezwungen, sich der Realität dessen zu stellen, was Raccoon widerfahren war: Die Stadt war unwiederbringlich an den T-Virus verloren. Oder an irgendeine Variante davon.
Wie die Forscher in der Villa. Wie der Tyrant.
Jill schloss die Augen. Sie dachte an den wiederkehrenden Traum und daran, was er bedeutete. Er stimmte perfekt mit dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse überein, bis auf das Ende – Brad Vickers, der S. T. A. R. S.-Alphapilot, hatte etwas aus dem Hubschrauber geworfen, einen Granatwerfer, und Chris hatte den Tyranten, der hinter Jill her war, damit in die Luft gejagt. Sie waren alle noch einmal davon gekommen … aber es war einerlei. Denn trotz all dem Positiven, das sie seither vollbracht hatten, hätten sie ebenso gut dort auf dem Dach des Gebäudes sterben können. Alles schien so sinnlos …
Es ist nicht unsere Schuld , dachte Jill ärgerlich und war sich darüber im Klaren, dass sie das mehr als alles andere glauben wollte. Niemand wollte auf uns hören – das Hauptbüro nicht, Chief Irons nicht und die Presse auch nicht. Wenn sie uns zugehört hätten, wenn sie uns geglaubt hätten …
Seltsam, dass all das erst vor sechs Wochen geschehen war – sie kamen ihr wie Jahre vor. Die Stadtverantwortlichen und die örtlichen Zeitungen hatten die Gelegenheit genutzt, um am Renommee von S. T. A. R. S. zu sägen – sechs seiner Angehörigen waren umgekommen und der Rest faselte fantastische Geschichten über ein geheimes Laboratorium, über Monster und Zombies und eine Umbrella-Verschwörung. Sie waren suspendiert und verspottet worden – aber das Schlimmste war, dass man nichts unternommen hatte, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Jill und die anderen hatten nur hoffen können, dass die Auslöschung des Ausbruchsherdes der unmittelbaren Gefahr einen Riegel vorschieben würde.
In den folgenden Wochen war so vieles passiert. Sie hatten die Wahrheit über S. T. A. R. S. aufgedeckt, dass Umbrella – genau gesagt White Umbrella, die Abteilung, der die Biowaffenforschung oblag – landesweit hochrangige Personen entweder schmierte oder erpresste, um die Forschungen ungehindert fortsetzen zu können. Sie hatten in Erfahrung gebracht, dass mehrere Stadtratsmitglieder von Raccoon City auf der Lohnliste von Umbrella standen und dass Umbrella wahrscheinlich mehr als eine Forschungseinrichtung unterhielt, wo mit von Menschenhand entwickelten Seuchen experimentiert wurde.
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