Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
Tages immer wieder einmal mit Hingabe die Wand anstarrt, aus dem Fenster glotzt oder seine großen Zehen beim Spiel mit den kleinen betrachtet, ohne dabei einen bestimmten Gedanken zu verfolgen. Auch in solchen Momenten räumt das Gehirn auf, schüttelt die Gedankendurch, die sich in ihm angesammelt haben – und ordnet sie gewinnbringend neu.
Geistesblitze, Aha-Effekte und Heureka!-Erlebnisse: Sie alle sind schon über jeden von uns gekommen. Und wann? Wenn wir gerade aufgehört hatten, mit gekräuselter Stirn krampfhaft die Lösung für ein Problem zu suchen. Die besten Ideen entstehen, wenn wir das Grübeln einstellen, wenn wir loslassen und unsere Gedanken sich selbst überlassen. Dann scheint eine magische Macht im Gehirn alles, was wir wissen, in seinen Windungen hin und her zu schieben, bis die Antwort fällt. Weil verschiedene Gedanken und Erinnerungen dabei aufeinandertreffen, entstehen plötzlich ganz neue Einblicke, Ideen und Schlussfolgerungen. »Setzen Sie sich erst bewusst-rational mit den Argumenten auseinander, aber vertagen sie die Entscheidung. Lenken Sie sich ab, schlafen Sie drüber. Die vorbewussten, intuitiven Netzwerke in Ihrer Großhirnrinde erledigen den Job für Sie«, empfahl der Hirnforscher Gerhard Roth einmal.
Viele innovative Erfindungen, wie die praktischen Post-it-Zettel, die Teflonbeschichtung und der Klettverschluss, sind durch solche völlig neuen Betrachtungen längst bekannter Tatsachen entstanden. Der US-amerikanische Soziologe Robert Merton hat daran als Erster ein Prinzip erkannt, das er »Serendipity« nannte (auf Deutsch: Serendipität). »Der Zufall begünstigt einen vorbereiteten Geist« lautet dessen Quintessenz. Soll heißen: Zufälle passieren oft, aber zu etwas wirklich Neuem führen sie nur dann, wenn jemand sie ungezwungen auf sich wirken lässt und sie richtig zu deuten weiß.
Das folgende Weiß gibt einmal Gelegenheit zum entspannten Nichtstun:
»Pling!«
Aber wie soll man es schaffen, eine Zeitlang an nichts Bestimmtes zu denken, wenn noch vor Ablauf der ersten Minute ein »Pling« mit dem Hinweis ertönt, man habe eine E-Mail bekommen?
Weg mit dem Ton. Es ist schon schlimm genug, dass wir aus uns selbst heraus immer wieder in unser E-Mail-Postfach schauen und so unsere eigene Konzentration und Leistungsfähigkeit torpedieren. Das »Pling« aber zwingt uns praktisch dazu. Selbst wenn man sich entscheidet, sich nun nicht dem Posteingang zuzuwenden, so ist man doch schon wieder aus der Bahn geworfen, auf der man sich im Geiste gerade bewegt hat. Nach dem Lesen einer Mail, haben Wissenschaftler herausgefunden, braucht man Minuten, um sich wieder auf das zu konzentrieren, was man vorher gemacht hat. Die ständige Ablenkung ist Gift für unsere Aufmerksamkeit und Produktivität.
Was nur würde der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal heute über uns denken, der schon im 17. Jahrhundert in seinen ›Gedanken über die Religion‹ schrieb: »Alles Unglück der Menschen kommt davon her, daß sie nicht verstehn, sich ruhig in einer Stube zu halten.« Wir haben uns inzwischen die ganze Welt in dieses Zimmer geholt.
Allzu zerrissen ist unser Alltag von den ständigen Mails und Anrufen. Es ist purer Luxus, wenn man heutzutage einmal eine oder zwei Stunden wirklich ungestört arbeiten kann. Es ist ein Luxus, den man sich gönnen sollte. Zum Beispiel, indem man das E-Mail-Programm zwischendrin einfach herunterfährt. Reicht es nicht aus, drei- oder viermal am Tag zu ganz bestimmten Zeiten in sein E-Mail-Postfach zu schauen? Ist man früher alle zwei Minuten zum Briefkasten gelaufen? Hätte man es als angenehm empfunden, wenn der Briefträger jeden Brief über den Tag verteilt persönlich an der Tür abgegeben und dazu geklingelt hätte?
Am Anfang ist es unglaublich schwierig, offline zu arbeiten. So sehr haben wir uns schon daran gewöhnt, ständig Aufmerksamkeit in Form von E-Mails zu erhalten, immer wieder lustvoll unsere Neugier auf das zu befriedigen, was uns da jemandgeschickt hat. Schnell mal eben ins Postfach schauen – das hat etwas sehr Verführerisches. Fast immer gibt es dort etwas Interessantes zu lesen. Es befriedigt die jedem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Nachrichten, Mitteilungen und Kontakt. Immer bedeuten Mails, wenn es nicht gerade unpersönliche Rundbriefe sind, dass man Ansprache erhält, Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommt und dass man irgendwie wichtig ist. Und schließlich ist es ja auch ein gutes Gefühl, gleich etwas
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